Scharfe Kritik von Mesale Tolu Ankara will Verhältnis zu Berlin normalisieren
01.01.2018, 06:37 Uhr
Cavusoglu ist optimistisch, was die deutsch-türkischen Beziehungen angeht.
(Foto: dpa)
Der türkische Außenminister Cavusoglu erwartet in diesem Jahr eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland. Die Journalistin Tolu, die derzeit auf ihren Prozess wartet, sieht das anders - und verweist auf etliche Deutsche, die noch immer in Haft sitzen.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu rechnet im neuen Jahr mit einer deutlichen Entspannung im Streit mit Deutschland. Noch im Januar will er deshalb in die Bundesrepublik kommen. "Ich denke, dass beide Seiten bereit dazu sind, die Beziehungen zu normalisieren", sagte Cavusoglu in Ankara. "Ich erwarte also ein viel besseres Jahr 2018."
Der Minister warnte Deutschland allerdings zugleich vor Drohungen gegen sein Land. Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich kürzlich optimistisch über eine Verbesserung des Verhältnisses zu Deutschland geäußert.
Dagegen glaubt die deutsche Journalistin Mesale Tolu trotz der Freilassung mehrerer Deutscher aus türkischer Haft nicht daran, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern kurzfristig entspannen werden. "Erdogan hat am vergangenen Mittwoch moderate Töne angeschlagen. Aber lösen sich die Probleme bloß, weil man Journalisten freilässt?", sagte Tolu der "Tageszeitung".
"Die beiden Seiten fassen einander jetzt zwar sanfter an", so Tolu. Doch es gebe noch immer andere inhaftierte und viele weitere Deutsche, die die Türkei nicht verlassen dürften. Die Journalistin war Mitte Dezember aus der Untersuchungshaft in Istanbul entlassen worden. Sie darf jedoch nicht ausreisen, der Prozess gegen sie wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation soll im April fortgesetzt werden.
Noch mindestens sieben Deutsche in Haft
Die Verhaftung mehrerer deutscher Staatsbürger, darunter Journalisten und Menschenrechtler, hatte zu den diplomatischen Verstimmungen zwischen beiden Ländern beigetragen. Den Festgenommenen wird in vielen Fällen Terrorpropaganda vorgeworfen. Einige von ihnen, wie Tolu, wurden inzwischen freigelassen, teilweise durften sie das Land auch verlassen. Vor einer Woche war der Deutsche David Britsch aus türkischer Haft freigekommen. Danach ging die Bundesregierung davon aus, dass noch mindestens sieben Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei hinter Gittern saßen. Darunter ist auch der Journalist Deniz Yücel.
Cavusoglu sagte weiter, die von ihm und Erdogan im Frühjahr angestellten Nazi-Vergleiche wegen der Auftrittsverbote für türkische Regierungsvertreter in Deutschland und anderen EU-Staaten bereue er nicht. "Was an diesen Tagen geschehen ist, erinnerte uns an das, was während der Nazi-Zeit geschah. Vielleicht ist es nicht einmal während der Nazi-Zeit geschehen. Ich glaube nicht, dass das Nazi-Regime solche Besuche oder Veranstaltungen stoppte."
Der türkische Außenminister sagte weiter, aus Sicht Ankaras gebe es keine Krise mit Berlin. "Die Türkei hat kein Problem mit Deutschland. Aber Deutschland hat ein Problem mit der Türkei, und Deutschland lässt keine Gelegenheit aus, die Türkei anzugreifen." Seine Regierung erwarte von Deutschland, "die Türkei als gleichwertigen Partner zu betrachten". "Wenn Deutschland sich einen Schritt auf uns zubewegt, geht die Türkei zwei Schritte auf Deutschland zu", sagte Cavusoglu. "Das ist keine Schwäche, das kommt von Herzen. Aber wenn Deutschland die Türkei bedroht, wird die Türkei zurückschlagen."
Der Außenminister lobte allerdings den "guten Dialog" mit seinem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel, der ihn für Januar in dessen Heimatort Goslar eingeladen habe. Gabriel sei ein "persönlicher Freund", mit dem er deswegen aber nicht immer einer Meinung sein müsse. Gabriel hatte Cavusoglu im November in dessen Wahlkreis in Antalya besucht.
Quelle: ntv.de, mli/dpa