Politik

Chaos in Ramallah Arafat beigesetzt

Begleitet von chaotischen Szenen ist Palästinenserpräsident Jassir Arafat am Freitag auf dem Gelände seines Hauptquartiers "Mukata" in Ramallah beigesetzt worden. Nur mit größter Mühe konnten sich die Sicherheitskräfte mit dem in eine palästinensische Flagge gehüllten Sarg einen Weg durch die Menge bahnen. Weil die Lage außer Kontrolle geriet, musste die Beisetzungszeremonie verkürzt werden. Sicherheitskräfte gaben immer wieder Salven in die Luft ab. Nach ersten Berichten soll es mehrere Verletzte gegeben haben.

Schon vor Ankunft des Sarges kam es zu Tumulten. Nachdem Wachen einigen Palästinensern den Zutritt durch das Tor der "Mukata" erlaubt hatten, kletterten Tausende von Menschen über die Mauern des Geländes. Dutzende Menschen fielen in die Tiefe, als das Dach eines Containerhauses einbrach. Die palästinensischen Wachleute konnten dem Ansturm der Menge nicht mehr standhalten. Sie sollten eigentlich nur geladene Trauergäste einlassen. Tausende Palästinenser standen auf Mauern und Dächern in der Umgebung von Arafats Hauptquartier. Sie ließen den Verstorbenen hochleben und feierten ihn als Führer der Palästinenser.

Mit großer Verzögerung wurde der Sarg dann aus dem Hubschrauber gehoben, weil sich die Menschenmenge aus Tausenden von Palästinensern, die den Helikopter umringte, zunächst nicht zurückdrängen ließ. Sicherheitskräfte trugen den Sarg dann durch die aufgewühlten Massen zum etwa 40 Meter entfernten Grab.

15.000 Muslime auf dem Tempelberg

Vor dem Begräbnis Arafats haben Hunderte Palästinenser versucht, sich ohne Erlaubnis Zutritt zum abgeriegelten Tempelberg in Jerusalem zu verschaffen. Dort wollten sie am letzten Tag des Fastenmonats Ramadan im Felsendom und der Al-Aksa-Moschee beten. Aus Sorge vor gewaltsamen Zusammenstößen ließ die israelische Polizei nach eigenen Angaben nur Frauen und Männer über 45 Jahren und mit israelischem Ausweis durch die Absperrungen. Nach Angaben des israelischen Rundfunks versammelten sich rund 15.000 Muslime auf dem Tempelberg.

Die israelischen Sicherheitskräfte sind wegen befürchteter Ausschreitungen im Umfeld von Arafats Beerdigung in höchster Alarmbereitschaft. Im überwiegend von Arabern bewohnten Ost-Jerusalem waren nach Medienberichten 5.000 Polizisten im Einsatz, um die Stadt vom West-Jordanland abzuriegeln.

Die israelischen Truppen sollten vorübergehend aus allen palästinensischen Städten des Westjordanlands abziehen, um Konfrontationen mit der trauernden Bevölkerung zu vermeiden, hieß es. Man fürchte, aufgebrachte Massen könnten versuchen, Straßensperren zu durchbrechen und nach Israel vorzudringen.

Die Anfahrt zu dem Begräbnis in Ramallah wurde Palästinensern aus dem Westjordanland nur in Bussen gestattet. Israelis sei die Teilnahme "auf eigene Verantwortung" erlaubt, hieß es im Radio.

Trauerzeremonie in Kairo

In der ägyptischen Hauptstadt hatte am Vormittag in einer Moschee neben dem Kairoer Flughafen eine kleinere Gruppe von muslimischen Politikern und Weggefährten von Jassir Arafat das Totengebet für den Palästinenserpräsidenten gesprochen. Geleitet wurde die Zeremonie von Scheich Mohammed Said al-Tantawi, dem Oberhaupt des berühmten Kairoer Islam-Instituts Al-Azhar.

Dann erwiesen Hunderte von Trauergästen aus aller Welt Arafat die letzte Ehre. Palästinensische Spitzenpolitiker nahmen Beileidsbekundungen von Staats- und Regierungschefs sowie Ministern entgegen. Der neue Vorsitzende des PLO-Exekutivkomitees, Mahmud Abbas, und der erst am Donnerstag ernannte Nachfolger Arafats als Generalsekretär der Fatah-Organisation, Faruk Kaddumi, standen als erste in der Reihe vor dem Zelt, in dem sich Hunderte von Trauergästen drängten.

Fischer verpasst den Trauerzug

Allerdings verpassten viele Trauergäste Zeremonie, weil ihre Maschinen wegen des hohen Andrangs am Kairoer Flughafen Warteschleifen in der Luft drehen mussten. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer erreichte den Trauerzug nicht mehr. Er konnte das Flughafenterminal erst verlassen, nachdem Arafats Leichnam schon in ein ägyptisches Flugzeug gebracht worden war, das ihn nach der Trauerzeremonie zur Beerdigung flog.

Fischer hat nach der verpassten Trauerfeier dem Halbbruder des Palästinenserführers das Beileid der Bundesregierung ausgesprochen. Mohsen Arafat zeigte sich tief bewegt und dankte Fischer für dessen Anteilnahme.

Militärische Ehrung in Frankreich

Arafat war am Vortag im Alter von 75 Jahren gestorben war. Sein Leichnam war am Donnerstagabend nach einer militärischen Ehrung in Frankreich nach Kairo übergeführt worden. Ein Airbus der französischen Luftwaffe brachte ihn in die ägyptische Hauptstadt. Mit an Bord waren Außenminister Nabil Schaath und Arafats Frau Suha Tawil.

Radikale drohen mit Anschlägen

Radikale Palästinenser beschuldigten Israel indes, Arafat vergiftet zu haben und schworen Rache. Sie kündigten neue Anschläge an und warnten die neue Palästinenser-Führung vor Kompromissen mit Israel. "Wir werden auf die Ermordung unseres Anführers und Symbols mit Anschlägen in der Tiefe Israels antworten", hieß es in der Mitteilung der "Jassir-Arafat-Brigaden", einer Splittergruppe der Fatah. "Wir warnen ernsthaft jeden, der versucht, Geschäfte zu Lasten der palästinensischen Sache zu machen", hieß es mit Blick auf Gespräche mit dem jüdischen Staat.

Obwohl die palästinensische Regierung mehrfach Spekulationen über eine Vergiftung Arafats entgegentrat, glauben weiterhin viele seiner Landsleute an einen israelischen Mordanschlag. Die Drohung mit neuen Anschlägen trübte die Hoffnungen auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses nach dem Ableben Arafats, den Israel und die USA als Verhandlungspartner abgelehnt hatten.

Quelle: ntv.de

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