Seit Februar krankgeschrieben Bürgermeisterin gibt Amt wegen Hetze auf
22.11.2019, 21:42 Uhr
Die kleine Gemeinde zählt kaum 5000 Einwohner.
(Foto: picture alliance / Arno Burgi/dp)
In ihrer Gemeinde wird ein Flüchtling mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Weil die Bürgermeisterin die Tat verurteilt, wird sie selbst zum Feindbild. Monatelang wird sie bedroht und sogar angezeigt. Nun zieht die SPD-Politikerin die Reißleine.
Nach monatelanger Hetze hat die SPD-Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf, Martina Angermann, ihren vorzeitigen Ruhestand in einer Gemeindesitzung beantragt. Bis der Antrag bewilligt sei, bleibe Angermann noch Bürgermeisterin, sagte eine Verwaltungsmitarbeiterin der Gemeinde nördlich von Dresden. Angermann sei allerdings schon seit Februar krankgeschrieben.
Zuvor hatte die sächsische SPD die Hetze gegen die Bürgermeisterin verurteilt. "Seit Monaten wird sie verbal attackiert, bedroht und versucht, sie durch eine Anzeige einzuschüchtern. Sie soll schlicht 'fertiggemacht' werden", erklärte SPD-Landesgeneralsekretär Henning Homann. "Wir dürfen nicht zulassen, dass rechte Kampagnen unsere demokratischen Werte und den Zusammenhalt in Frage stellen. So etwas darf nicht passieren." In Sachsen hat es seit 2014 mehr als 200 registrierte Straftaten gegen Politiker gegeben, über 150 aus dem politisch rechten Spektrum.
Arnsdorf war 2016 in die Schlagzeilen geraten: Vier Männer hatten damals einen psychisch kranken Flüchtling aus dem Irak mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Sie hatten ihr Verhalten als Notwehr dargestellt, angeblich soll der Iraker eine Kassiererin eines Supermarktes bedroht haben - Ermittlungen gegen ihn waren mangels Nachweis einer Bedrohung aber später eingestellt worden. Die Politikerin hatte die Tat der vier Männer wiederholt verurteilt und war daraufhin selbst zum Feindbild geworden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht stellte sich hinter Angermann. "Meine ganze Solidarität gilt der Arnsdorfer Bürgermeisterin und allen, die sich jeden Tag für unsere Gesellschaft einsetzen", teilte die Justizministerin mit. "Wenn sich Menschen aufgrund von Drohungen und Hetze aus ihrem gesellschaftlichen Engagement zurückziehen, gerät unsere Demokratie in Gefahr. Das dürfen wir nicht hinnehmen." Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität werde "unter Hochdruck" umgesetzt, sagte Lambrecht. Es soll auch dem besonderen Schutz von Kommunalpolitikern dienen.
Quelle: pbu/dpa