Politik

Flüchtlinge in Tröglitz Das Leben nach dem Brandanschlag

tröglitz flüchtlinge.JPG

Tröglitz ist für viele der Inbegriff von Fremdenfeindlichkeit. Die Asylbewerber im Ort versuchen, Vorurteile abzubauen und Anschluss zu finden. Sie werden unterstützt von couragierten Tröglitzern, die sich ihren Nachbarn entgegenstellen.

Die Angst ist noch immer da. Wie ein Mahnmal steht die abgebrannte Ruine mitten in Tröglitz, der Brandanschlag auf die geplante Asylbewerberunterkunft im April rückte den kleinen Ort in Sachsen-Anhalt deutschlandweit ins Rampenlicht. Die Brandstifter sind bis heute auf freien Fuß, während noch etwa ein Dutzend Asylbewerber in Tröglitz leben.

So wie Familie Amiri. Das Ehepaar und seine dreijährige Tochter teilen sich mit einer anderen Flüchtlingsfamilie ein Haus in der Altstadt. Um sich die Flucht vor den Taliban leisten und ihre lebensgefährliche Reise antreten zu können, mussten die Amiris ihren ganzen Besitz verkaufen. Etwa 20.000 Euro zahlten sie an Schlepper, die sie zweieinhalb Monate lang durch acht Länder schmuggelten. Die Einreise nach Europa wäre fast zur Katastrophe geworden. In der Türkei heuerten sie einen Schleuser an, der sie auf eine nur wenige Minuten entfernte griechische Insel bringen sollte. Doch direkt nach der Abfahrt füllte sich das Plastikboot mit Wasser, die Tochter fiel ins Meer. Die Familie schaffte es gerade noch ans Festland zurück.

Nach etwa zweieinhalb Monaten waren sie endlich in Deutschland. "Wir dachten, wir kämen irgendwohin, wo wir leicht mit den Deutschen in Kontakt treten können – zum Beispiel nach Berlin", sagt Reza Amiri. Stattdessen wurde es Tröglitz, wo die lokale NPD gegen Flüchtlinge mobilisiert und die Menschen wegen der ursprünglich geplanten Aufnahme von bis zu 60 Flüchtlingen wochenlang auf die Straße gingen. Die beiden Familien bleiben deshalb weitestgehend unter sich, der Alltag ist entsprechend trist. Höhepunkte ihres Lebens in Tröglitz sind der Deutschkurs und das Einkaufen im Ort. Abfinden will sich Reza Amiri damit nicht. "Ich will arbeiten und Kontakte knüpfen. Egal wie, und wenn es nur ein Ein-Euro-Job ist", sagt der 32-jährige Computerspezialist.

Helfer zahlen hohen Preis

Allein sind die Flüchtlinge aber nicht, denn auch in Tröglitz gibt es couragierte Bürger, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen. Beim TSV Tröglitz, dem Fußballverein im Ort, sind Reza Amiri und sein Mitbewohner Ali Ahmadid bereits feste Bestandteile der Mannschaft. Der Verein macht offen Werbung für die neuen Mitspieler. Die Kommentarseite auf der Vereins-Homepage hat der Vorstand allerdings vorsorglich gesperrt, um rassistischen Äußerungen kein Forum zu geben.

Im März trat Markus Nierth als Bürgermeister von Tröglitz zurück.

Im März trat Markus Nierth als Bürgermeister von Tröglitz zurück.

(Foto: dpa)

Auch der ehemalige Bürgermeister Markus Nierth und seine Frau Susanna Nierth helfen den Afghanen, sich in der neuen Kultur zurechtzufinden, unterstützen bei Übersetzungen und erklären deutsche Kultur und Bräuche. Für ihr Engagement zahlen sie einen hohen Preis. Als Bürgermeister setzte sich Markus Nierth für die Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz ein. Als er daraufhin massiv bedroht wurde, legte er sein Amt im März nieder. Trotz des Rücktritts hat sich an der Situation der Nierths wenig geändert. "Freundschaften sind deshalb zerbrochen", sagt Susanna Nierth. Das Ehepaar, das selbstständig als Trauerredner und Betreiber einer Tanzakademie arbeitet, muss für seinen Einsatz auch finanzielle Einbußen hinnehmen. "Da wird Propaganda betrieben, die Leute kommen jetzt nicht mehr zu uns, weil wir die mit den Flüchtlingen sind."

Trotz aller Frustration und persönlicher Einschnitte erzielen die Nierths aber auch Erfolge bei ihren Mitmenschen. "Wenn sie die Afghanen erst einmal kennengelernt haben, wundern sich viele, dass die ja eigentlich ganz normal sind", sagt Susanna Nierth. Das Ehepaar plant deshalb schon den nächsten Schritt: ein Begegnungscafé, in dem sich Tröglitzer und Asylbewerber näher kommen können.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen