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Energietalk bei Illner "Das kann nicht noch wochenlang gutgehen"

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BDI-Präsident Siegfried Russwurm fürchtet eine Insolvenzwelle.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm fürchtet eine Insolvenzwelle.

Die Energiepreise müssen runter. Eine Expertenkommission soll noch im Oktober entsprechende Vorschläge vorlegen. Einer der Kommissionsleiter ist der Präsident des Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm. Er gehört am Donnerstagabend zu den Gästen von Maybrit Illner im ZDF.

Ein Streit bleibt aus am Donnerstagabend im ZDF. Da hatte Maybrit Illner Gäste aus Politik und Wirtschaft in ihre Talkshow eingeladen. Ihre Themen: Die Energiekrise, Firmenpleiten, wirtschaftlicher Rückgang - und was man dagegen tun kann. "Beängstigend" nennt BDI-Präsident Siegfried Russwurm die Ergebnisse einer Umfrage, die der Industrieverband bei den deutschen Unternehmen gemacht hat. Ein Drittel der befragten Unternehmen sieht sich in einer existenziellen Krise, 58 Prozent sagen, sie stehen unter existenziellem Druck. Die Zahl der Insolvenzen steigt. Im vergangenen August mussten 718 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen. Bekanntestes Unternehmen: Der Toilettenpapierhersteller Hakle.

"Krise, die wir so noch nie hatten"

Besonders Einzelhandelsunternehmen haben "einen Riesenberg vor sich", weiß die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, die in den letzten Tagen mit vielen Bäckern in ihrem Wahlkreis gesprochen hat. Ihnen machen nicht nur hohe Strom- und Gaspreise zu schaffen, sondern auch der im Oktober steigende Mindestlohn. Dadurch müssen auch weitere Gehälter angepasst werden. Die Bäcker begrüßten zwar die in Aussicht gestellte Strompreisbremse, bräuchten aber sofort Hilfe, sagt Göring-Eckardt. "Wir haben eine Krise, die wir so noch nie hatten", sagt sie. Darum sei es gut, dass das dritte Hilfspaket der Bundesregierung weiterentwickelt werde. "Und wenn das nicht reicht, machen wir auch noch ein viertes", so die Politikerin.

Dass die Energiepreise in Deutschland zu hoch sind, sagt auch Siegfried Russwurm. Er soll gemeinsam mit zwei Experten eine Kommission leiten, die die Bundesregierung bei der Senkung der Energiepreise beraten und noch im Oktober entsprechende Vorschläge präsentieren soll. Schon jetzt haben laut Russwurm viele Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagert, weil sie sich die Energiekosten in Deutschland nicht mehr leisten können. Gleichzeitig scheuten 40 Prozent der Unternehmen wegen der aktuell unsicheren Perspektive nötige Investitionen. Viele von ihnen gingen dabei nicht in die Insolvenz, bestätigt Russwurm entsprechende Aussagen von Wirtschaftsminister Habeck aus der vergangenen Woche. "Einzelhändler zahlen alle Rechnungen, verkaufen das Auto und ihre Theke und vermieten das Ladenlokal weiter."

"Das Wasser steht nicht nur Betrieben bis zum Hals, auch den Privatbürgern", beschreibt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi die aktuelle Situation. Auch sie will die Senkung der Energiepreise erreichen. Sie seien der Hauptinflations- und Rezessionstreiber. "Da helfen keine ökonomischen Industriedebatten, man muss das Problem an den Wurzeln packen."

Die Regierung helfe, lobt die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig von der SPD. Allerdings müsse die Wirtschaft weiter unterstützt werden, zum Beispiel mit einem auf ein oder zwei Jahre befristeten Energiepreisdeckel. Gleichzeitig fordert sie, nicht bei der Anhebung des Mindestlohns haltzumachen. "Wir wollen höhere Tariflöhne, und wir wollen ein gutes Sozialsystem." Zudem verlangt die Ministerin, beim Ausbau der erneuerbaren Energien Gas zu geben.

Und in diesen Chor stimmt dann auch FDP-Vize Johannes Vogel ein: Reform des Strommarktes und des Energiemix, Unterstützung von Bürgern und Wirtschaft. Nur als er dann das Wort "Atomenergie" sagt, blockt die Moderatorin ab. Dafür ist in der Show an diesem Abend kein Platz.

Die ganz kleine Meinungsverschiedenheit

Nach der Meinungsverschiedenheit in diesem Chor der Einigkeit muss man förmlich suchen. Es gibt sie, als das Gespräch auf die Steuer- und Abgabenfreien Leistungen in Höhe von bis zu 3000 Euro kommt, die die Arbeitgeber zur Entlastung der Beschäftigten einmalig als Prämien zahlen können. Das könne für Unternehmen schwierig werden, die "mit dem Rücken zur Wand stehen", sagt Russwurm. Er schlägt eine Regelung vor, nach der die Unternehmen diese Summe nicht auf einmal zahlen müssen. Fahimi macht klar, dass dies in den anstehenden Tarifverhandlungen zur Sprache gebracht werden solle. Man könne so etwas über Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen regeln.

Diese Einigkeit ist selten in einer Talkshow. Doch sie ist wichtig in der aktuellen Krise. Am Ende übt lediglich Manuela Schwesig leise Kritik, weil die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission ihre Vorschläge erst im Oktober vorlegt. "Das muss schnell gehen", sagt sie, "Ich glaube, dass das nicht noch wochenlang gutgeht."

Quelle: ntv.de

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