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Bayern prescht vor "Der Lockdown kommt auf uns zu"

Der Lockdown: In Spanien gilt er schon, nur mit wichtigen Gründen dürfen Bürger auf die Straße. In den Großstädten werden öffentliche Gebäude desinfiziert.jpeg

Der Lockdown: In Spanien gilt er schon, nur mit wichtigen Gründen dürfen Bürger auf die Straße. In den Großstädten werden öffentliche Gebäude desinfiziert

(Foto: picture alliance/dpa)

Bayern greift durch, sperrt Spiel- und Sportplätze und beschränkt die Gastronomie. Sind wir schon auf dem Weg in den Lockdown? Und wie würde der überhaupt kontrolliert? Antworten auf diese Fragen gibt im ntv.de-Interview Staatsrechtler Joachim Wieland.

ntv.de: Bayern prescht vor - Sport- und Spielplätze gesperrt, Restaurants ab 15 Uhr geschlossen. Ist das der erste Schritt zum Lockdown in Deutschland?

An einem Lokal in Bayern hängt dieses Schild.

(Foto: picture alliance/dpa)

Joachim Wieland: Der Lockdown kommt auf uns zu. Das ist ein sehr frühzeitiger Schritt, aber Bayern versucht offenbar, durch frühe, sehr radikale Maßnahmen die Ausbreitung des Virus so lange wie möglich hinauszuzögern. Dem Beispiel Bayerns werden andere folgen - nicht im Gleichschritt, das entscheidet jedes Bundesland selbst. Aber die Richtung wird dieselbe sein.

In Spanien gibt es schon einen Lockdown - und zwar flächendeckend vom Baskenland bis zu den Kanarischen Inseln. Bei uns undenkbar, oder? Hier gehen Kinder aus Mecklenburg-Vorpommern seit Montag nicht mehr zur Schule, Berliner ab Dienstag, Brandenburger ab Mittwoch, Sachsen dürfen noch, aber müssen nicht mehr ….

Das ist die Stunde der Länder. Die sind für die Abwehr solcher Gefahren wie Corona zuständig. Die Bundesregierung kann koordinieren, sie kann Empfehlungen geben und sie kann dafür sorgen, dass die Länder sich austauschen. Aber die Verantwortung liegt bei den Ländern, und sie können und müssen - wie jetzt Bayern - allein entscheiden, indem sie Vor- und Nachteile abwägen. Eine schwierige Entscheidung, aber tendenziell wird sie in allen Ländern gleich ausfallen.

Gleichzeitig dringen Wissenschaftler auf schnelle Entscheidungen. Da kann der Föderalismus eine Bremse sein mit fatalen Auswirkungen.

Trotzdem: Im Grundgesetz steht, dass die Gliederung des Bundes in Länder und die Verantwortung der Länder auch durch eine Grundgesetzänderung nicht abgeschafft werden kann. Das gilt auch für solch einen Moment. Deutschland hat eine sehr starke föderalistische Tradition.

Der Lockdown ist offenbar auch in Frankreich im Gespräch. Dort wären nur noch Arztbesuche, Arbeitswege und Einkauf von Lebensmitteln und Medizin erlaubt. Aber wer kontrolliert das?

Wenn die Bevölkerung nicht bereit ist, das auch zu beachten, haben Sie keine Chance. Der Lockdown ist ein Appell an die Bürgerinnen und Bürger, sich vernünftig zu verhalten. Es wird immer stichprobenhafte Kontrollen geben, aber wir haben nicht genügend Polizisten, um jeden zur Rechenschaft zu ziehen. Unser Sicherheitsapparat wird das nie auch nur annähernd vollständig durchsetzen können. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Bevölkerung mitmacht.

Manche sehen China - in einer Extremsituation wie jetzt - im Vorteil.

Wenn ich als Staat sehr autoritär aufgestellt bin, einen großen Sicherheitsapparat habe, dann kann ich so etwas Radikales leichter durchsetzen. Aber das ist ein hoher Preis, den man mit Freiheit zahlt. Und was machen die Leute im Geheimen? Halten sie sich wirklich dran oder machen sie gerade aus Protest was anderes? Da wäre ich mir nicht so sicher.

Deutschland wird also auch mit Corona kein Überwachungsstaat. Aber ein Bußgeld für Spaziergänger - das wäre drin, oder?

Als letztes Mittel könnte die Polizei gegen jemanden, der die Anordnung ignoriert, also sich ohne triftigen Grund auf der Straße aufhält, ein Beugegeld verhängen. Sie könnte ihn sogar festhalten, also "körperlichen Zwang" anwenden. Dazu kommt es aber eigentlich nicht. Wenn ein Polizist sagt: "Gehen Sie jetzt bitte nach Hause", dann werden die allermeisten umkehren.

Das heißt also, jetzt ist die Stunde der Aufklärung. Sind Sie mit der Performance der Deutschen bislang zufrieden - seitens der Politik und seitens der Bevölkerung?

Das funktioniert erstaunlich gut. Man hat bisher Panik vermieden. Die Politik hat alle notwendigen Schritte erklärt und nach meinem Eindruck zeigt die Bevölkerung Vertrauen in den Staat und sagt "Okay, die werden das schon richtig machen, und wir halten uns daran." Bisher hat es doch nur sehr begrenzt Hamsterkäufe gegeben, die meisten haben sich da relativ vernünftig verhalten. Bei den Schulschließungen gab es keinen Aufschrei, sondern jeder versucht, zurechtzukommen. Für mich ein sehr positives Zeichen, dass die staatliche Ordnung und das Gemeinwesen funktionieren.

Mit Joachim Wieland sprach Frauke Niemeyer.

Quelle: ntv.de

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