Politik

"Trumpcare" oder Republikaner Der Präsident muss sich entscheiden

Autor des republikanischen Gesundheitskonzepts ist nicht Donald Trump, sondern der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan.

Autor des republikanischen Gesundheitskonzepts ist nicht Donald Trump, sondern der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan.

(Foto: picture alliance / Evan Vucci/AP)

Zahlreiche Äußerungen von US-Präsident Trump zeigen, dass er ein staatlich organisiertes Gesundheitswesen bevorzugt. Für die Republikaner wäre das ein Tabubruch. Trump muss sich entscheiden – zwischen Partei und Überzeugung.

Nach dem Drama um die Entlassung von FBI-Chef James Comey spricht in Washington kaum noch jemand über den politischen Triumph, den US-Präsident Donald Trump erst kürzlich errungen hat. Das Repräsentantenhaus hatte in der vergangenen Woche das republikanische Gesundheitskonzept verabschiedet, mit dem "Obamacare" ersetzt werden soll.

Noch ist das nicht passiert – der "American Health Care Act" (AHCA), der von Paul Ryan, dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, ausgearbeitet wurde, ist vielen seiner Parteifreunde aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Dorn im Auge. Den einen ist er zu radikal, den anderen nicht radikal genug. Die Republikaner im Senat wollen daher nicht dieses Gesetz verabschieden, sondern ein eigenes entwickeln. "Wir werden von neuem beginnen", sagte die republikanische Senatorin Susan Collins aus dem US-Bundesstaat Maine der Nachrichtenagentur AP. "Wir werden unseren eigenen Gesetzesentwurf erarbeiten und ich bin mir sicher, dass wir uns die Zeit nehmen, es richtig zu machen."

Wie immer ein Kompromiss innerhalb der Republikaner am Ende aussieht, eines steht schon jetzt fest: Trumps erklärtes Ziel, alle US-Bürger in eine Krankenversicherung zu bringen, widerspricht so ziemlich allem, wofür die republikanische Partei im Kern steht. Das parteiunabhängige Congressional Budget Office (CBO), eine Art wissenschaftlicher Dienst des US-Kongresses, sagte voraus, dass durch den AHCA bis zum Jahr 2026 knapp 24 Millionen US-Bürger ihren Versicherungsschutz verlieren würden. Das wäre das Gegenteil von dem, was Trump angekündigt hatte.

Lob für Australien

Sollte der AHCA, in welcher Form auch immer, am Ende auf Trumps Schreibtisch landen, dann besteht kaum ein Zweifel daran, dass dieser das Dokument unterzeichnen wird. Schließlich steht er in der Pflicht, eines seiner größten Wahlversprechen in die Tat umzusetzen. Trotzdem scheint Trump in Sachen Gesundheitsreform eigentlich etwas ganz anderes im Sinn zu haben.

Nur wenige Stunden nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus hieß Trump den australischen Premierminister Malcolm Turnbull in New York willkommen und lobte das Gesundheitssystem in dessen Land. "Unser Gesundheitssystem ist am versagen – ich sollte das eigentlich für mich behalten, da ihr ein besseres Gesundheitssystem habt als wir", sagte Trump. In Australien gibt es zwar auch private Anbieter von Krankenversicherungen. Aber das Gesundheitssystem auf dem australischen Kontinent basiert auf einem staatlichen Einheitskrankenkassen-Modell. Es ist das, was jeder normale Republikaner als sozialistisches Teufelszeug ansieht.

Sein Lob für das australische Modell ist nur der jüngste Hinweis dafür, dass Trump Gefallen an einem staatlich kontrollierten System findet. Bereits im Jahr 2000 plädierte er in seinem Buch "The America We Deserve" (Das Amerika, das wir verdienen) für ein solches System – als das Buch erschien, plante er, als Präsidentschaftskandidat für die Reform Partei anzutreten. "Wir müssen ein universales Gesundheitssystem haben", schrieb Trump damals. "Stellt euch nur die verbesserte Lebensqualität für unsere gesamte Gesellschaft vor." Ausdrückliches Lob gab es von ihm auch für Kanada, wo es ein reines Einheitskassen-System gibt, und für Schottland, wie Australien ein Hybrid-System.

"Es ist unrepublikanisch, aber ich werde mich um jeden kümmern"

Auch im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf hat Trump sich öffentlich für ein universales Krankenversicherungssystem ausgesprochen. "Jeder sollte versichert sein", sagte er in der CBS-Sendung "60 Minutes" im September 2015. "Es ist unrepublikanisch von mir das zu sagen. Ich werde mich um jeden kümmern. Es ist mir egal, ob es mich Stimmen kostet oder nicht. Es wird sich um jeden besser gekümmert, als dies aktuell der Fall ist." Als er gefragt wurde, wer für so etwas zahlen sollte, sagte er: "Die Regierung wird dafür bezahlen."

Und auch wenige Tage vor seiner Amtseinführung blieb Trump seiner Linie treu. "Wir werden eine Krankenversicherung für jedermann haben", sagte er der "Washington Post". "Ich will kein Einheitskassen-System. Aber ich will mich um jeden kümmern."

Manche glauben sogar, dass sich die Debatte in den USA trotz der Verabschiedung des AHCA in Richtung universales Gesundheitssystem bewegen könnte. "Lass alle Menschen zurück, die dich gehasst haben, die fluchen, wenn du Erfolg hast", empfahl der Rechtswissenschaftler F.H. Buckley dem Präsidenten in der "New York Post" im vergangen Monat, nachdem der AHCA im ersten Versuch gescheitert war. "Geh auf die Menschen zu, die für dich gestimmt haben. Fordere die Demokraten heraus, indem du ihnen gibst, was sie immer wollten."

Sollte Trump seine Aussagen aus der Vergangenheit ernst nehmen, dann wäre eine Verständigung mit den Demokraten leicht möglich. Auch in der Bevölkerung der USA ist die Mehrheit mittlerweile für ein staatlich organisiertes Gesundheitssystem. Sechzig Prozent der Amerikaner glauben laut einer Studie des Pew Research Center, dass die Regierung Gesundheitsschutz garantieren sollte.

Allerdings würde ein solches Vorgehen die republikanische Partei zerreißen. Die Grundprinzipien der Republikaner basieren auf der Forderung nach einer weitestgehend unregulierten freien Marktwirtschaft und einer möglichst schwachen Regierung – zwei Philosophien, die sich mit einem staatlich kontrollierten Gesundheitssystem nicht vereinbaren lassen.

Trumps Nominierung durch die republikanische Partei sowie sein Wahlsieg gegen Hillary Clinton im November haben jedoch gezeigt, dass die US-Politik im Umbruch ist. Mit Trump an der Spitze hätten die Republikaner theoretisch die Möglichkeit, einen neuen Weg einzuschlagen und die Demokraten auf Jahre hinter sich zu lassen. Die Frage ist, ob die republikanischen Abgeordneten und Senatoren dazu bereit sind.

Quelle: ntv.de

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