Frauen und Kinder in Syrien getötet "Der Sicherheitsrat ist gescheitert"
12.03.2012, 20:20 Uhr
Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Idlib.
(Foto: AP)
Seit Wochen massakriert das syrische Regime die eigene Bevölkerung. Zuletzt werden in Homs Dutzende Frauen und Kinder vergewaltigt und abgeschlachtet. Doch die internationale Gemeinschaft bleibt gespalten. Kein Wunder, dass Außenminister Westerwelle dem höchsten UN-Gremium ein schlechtes Zeugnis ausstellt.
Ein Jahr nach Beginn der Gewalt in Syrien hat der UN-Sicherheitsrat ein sofortiges Ende des Blutvergießens gefordert. Alle Staaten sprachen sich für einen Stopp der Kämpfe aus, wenn auch mit unterschiedlichen Standpunkten. Während die Vereinten Nationen, westliche und arabische Staaten die Regierung von Präsident Baschar al-Assad für inzwischen etwa 8000 Tote verantwortlich machen, nahm Russland das Regime weiter in Schutz. Derweil geht das Gemetzel in Syrien weiter. Die Opposition meldete wieder 92 Tote, darunter zahlreiche Kinder und Frauen.
"Die internationale Gemeinschaft muss die Gewalt stoppen", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. "Die syrische Regierung hat versagt und ist ihrer Pflicht, das eigene Volk zu schützen, nicht nachgekommen. Und diese schändlichen Aktionen gehen immer weiter." Die Situation sei entsetzlich: "Die Syrer zahlen gerade einen furchtbaren Preis, obwohl sie nur ihr Recht wollen." Assad müsse den Friedensplan der Arabischen Liga "in den nächsten Tagen" umsetzen.
US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, dass die USA an die territoriale Souveränität jedes UN-Staates glaubten. "Wir glauben aber nicht, dass dieser Rat schweigen muss, während Menschenrechte mit Füßen getreten werden." Es sei an Zynismus kaum zu überbieten, dass das Regime genau dann mit einer neuen Offensive begonnen habe, als der Sondergesandte und frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan in Damaskus eingetroffen sei. Sie forderte die internationale Gemeinschaft auf, mit einer Stimme zu sprechen.
Annan selbst forderte ein sofortiges Ende der Ermordung von Zivilisten. "Es gibt besorgniserregende und erschreckende Berichte über Gräueltaten", sagte Annan in Ankara vor einem geplanten Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Annan hatte Syrien zunächst ohne Ergebnisse verlassen, er äußerte sich nach zwei Gesprächsrunden dennoch optimistisch.
"Der Sicherheitsrat ist gescheitert"
Russlands Außenminister Sergej Lawrow räumte ein, dass "ohne Zweifel die syrischen Behörden einen großen Teil der Verantwortung tragen". "Aber wir sollten die Tatsache nicht ignorieren, dass sie jetzt seit langem nicht gegen unbewaffnete Menschen, sondern gegen Kampfeinheiten und extremistische Gruppen wie Al-Kaida-Terroristen kämpfen."
Russland hat bereits drei Resolutionen gegen seinen Verbündeten und Waffenkunden Syrien verhindert, keine von ihnen enthielt irgendwelche Strafmaßnahmen oder ging sonst über eine Verurteilung hinaus. Auch ein chinesischer Vertreter bekräftigte, Peking sei gegen jede Einmischung in innere Angelegenheiten.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle warf dem Sicherheitsrat Versagen in der Syrien-Krise vor. "Der Rat ist beim Versuch, seiner Verantwortung nachzukommen, gescheitert", sagte er. "Zu viel Zeit wurde vergeudet. Ich fordere Russland und China auf, es als ständige Mitglieder diesem Rat zu ermöglichen, endlich aktiv zu werden."
Der syrische Botschafter in Moskau, Riad Chadad, sagte nach Angaben der Agentur Interfax, Damaskus stimme einem von Russland und der Arabischen Liga vorgelegten Friedensplan zu. Annan hatte den Plan zuvor in Damaskus überreicht. Der Vorschlag sieht unter anderem ein Ende der Gewalt auf beiden Seiten sowie die Zulassung humanitärer Hilfe vor. Er schließt fremde Einmischung in den Konflikt aus. Chadad betonte zugleich, das Regime wolle "bis zum Endsieg" kämpfen.
Prominente appellieren an die UN
Angesichts immer neuer Gräueltaten appellierten etwa 50 Intellektuelle und Politiker aus aller Welt an den UN-Sicherheitsrat, dem Morden Einhalt zu gebieten. Die Spaltungen in der internationalen Gemeinschaft hätten der Regierung von Assad "eine Lizenz zum Töten" gegeben, heißt es in dem Schreiben. "Die Verantwortung für das derzeitige Blutvergießen tragen letztlich jene in Syrien, die fürchterliche Verbrechen anordnen, erlauben oder selbst begehen."
Zu den Unterzeichnern gehören die früheren Präsidenten Deutschlands und Südafrikas, Richard von Weizsäcker und Frederik Willem de Klerk, der Philosoph Jürgen Habermas, die Schriftsteller Umberto Eco und David Grossmann, die Friedensnobelpreisträger Schirin Ebadi und Jody Williams sowie die russische Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa.
Allein in der syrischen Widerstandshochburg Homs massakrierten die Truppen Assads nach Angaben von Aktivisten 57 Zivilisten, darunter 28 Kinder und 23 Frauen. Einige der Kinder seien erwürgt worden, hieß es. Die Regimegegner zeigten zudem Videoaufnahmen von Kindern und Frauen, die in dem Viertel Karam al-Seitun mit Messern getötet worden sein sollen. Ein Arzt aus Homs, den der Nachrichtensender Al-Arabija interviewte, berichtete außerdem von zahlreichen Vergewaltigungen. Syrische Staatsmedien machten "Terroristen" dafür verantwortlich.
Funktionäre schicken Familien außer Landes
Der Syrische Nationalrat (SNC) forderte eine Schutzzone um Homs und "einen internationalen und arabischen Militäreinsatz". Ein Sprecher der Oppositionsgruppe Freie Syrische Armee teilte in Istanbul mit, dass mehrere ausländische Staaten damit begonnen hätten, die Protestbewegung mit Waffen auszurüsten. Dafür sei ein Koordinierungsbüro eingerichtet worden. Der Sprecher machte keine Angaben darüber, um welche Staaten es sich handelt. Allerdings sprach sich der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal in Riad indirekt für Waffenlieferungen an die syrische Opposition aus. "Es ist unmenschlich, dass wir das ansehen und den Syrern nicht erlauben, sich zu verteidigen", sagte der Minister.
Das regimekritische unabhängige syrische Nachrichtenportal "All4Syria" meldete unterdessen, mehrere hochrangige Funktionäre aus dem Sicherheitsapparat und Beschäftigte des staatlichen Fernsehens hätten ihre Familien in den vergangenen Wochen ins Ausland geschickt. Einige der Funktionäre hätten Bestechungsgelder bezahlt, um die Ausreise ihrer Angehörigen sicherzustellen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP