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Lindner stellt Einigung infrage Der große Heizungstausch kann beginnen

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Geywitz und Habeck waren sichtbar erleichtert über den Kabinettsbeschluss.

(Foto: picture alliance/dpa)

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Drei Viertel aller Gebäude in Deutschland werden mit Öl und Gas geheizt. Nach zähem Ringen vereinbart die Ampel den Plan zur großen Umrüstung auf erneuerbare Energien. Der Kompromiss ist kompliziert, hat in wichtigen Details noch Klärungsbedarf - und wird von der FDP schon wieder angezweifelt.

Er habe es im "Verlauf der Debatte nicht immer für möglich gehalten", dass das Gesetz zum Heizungstausch tatsächlich kommt, räumt Robert Habeck in Berlin ein. Jetzt aber scheint der grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz überzeugt: Der Plan zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors steht. Das Bundeskabinett hat schließlich am selben Tag dem Gesetzentwurf von Habeck und der sozialdemokratischen Bundesbauministerin Klara Geywitz zugestimmt. Allerdings deutete die dem Beschluss angehängte Protestnote von Bundesfinanzminister Christian Lindner auf einen doch nicht so ganz abgeschlossenen Prozess hin: Der FDP-Vorsitzende mahnte weitere Änderungen bei den Themen Finanzierung und Technologieoffenheit an. Wer wollte, konnte darin einen Auftrag des FDP-Vorsitzenden an seine Fraktion sehen, weil Lindner auf Koalitionsebene keine weitere Möglichkeit zur Verzögerung mehr gesehen hatte.

Nach mehreren Wochen intensiver Debatten und teils persönlicher Anwürfe innerhalb der Ampel-Koalition wurden die Streitpunkte in einem nervenzehrenden, mehrtägigen Koalitionsausschuss weitgehend ausgeräumt. Jetzt kommt das Gebäudeenergieeffizienzgesetz im Wesentlichen so in den Bundestag, wie es Habeck von Beginn an vorgesehen hat: Wer nach 2024 eine neue Heizung verbaut, darf in der Regel keine neue Gas- oder Ölheizung verbauen. Andere Möglichkeiten neben Wärmepumpen oder einem Anschluss ans Fernwärmenetz, das vorgeschriebene Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien zu erreichen, sind Solarthermie-Anlagen und Hybrid-Lösungen - eine Wärmepumpe für den Regelbetrieb und die vorhandene Gas- oder Ölheizung für die wenigen kalten Winterwochen im Jahr.

Theoretisch erlaubt sind zwar wasserstofffähige Gasheizungen, dem stehen aber praktische Hürden im Weg - von der Verfügbarkeit solcher Heizungen bis zur Voraussetzung dass der jeweilige Gasversorger einen verbindlichen Plan zur Umstellung auf Wasserstoff vorgelegt hat. Die Bundesregierung will nun möglichst bald alle Kommunen verpflichten, einen Wärmeplan aufzustellen, der auch die Frage nach der Zukunft des vorhandenen Gasversorgungsnetzes stellt. 500.000 Kilometer Gasnetz-Infrastruktur in Deutschland stehen langfristig womöglich vor dem Aus, wenn sich binnen weniger Jahre immer mehr Kunden bei den Versorgern abmelden, weil sie ihre Heizung umgestellt haben.

Die FDP sieht hier eine große Chance, mittelfristig grünen Wasserstoff durch die Gasleitungen zu pumpen. SPD und Grüne bezweifeln, dass dieser absehbar billig und massig zur Verfügung steht. Allenfalls bei der Wärmeversorgung im Umfeld von Industrie- und Agrargebieten, wo künftig Elektrolyseure stehen, kann sich Habeck Heizen mit Wasserstoff vorstellen.

Bis zu 50 Prozent Förderung

Neben der von den Liberalen geforderten Technologieoffenheit war der wesentliche Streitpunkt die Frage der Zumutbarkeit für Eigenheimbewohner, Mieter und Vermieter. SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast rechnete es Mittwoch im Wesentlichen ihrer Partei zu, dass es keinen "Klimaschutz mit der Brechstange" geben werde. Am Vorabend hatte SPD-Parteichef Lars Klingbeil in der "Bild" erklärt, die Koalition nehme "massiv Geld" in die Hand, um den Klimaschutz sozial abzufedern.

Das von den Koalitionsparteien geeinte Förderprogramm hebt sich aber auf den ersten Blick nicht sonderlich vom Status quo ab. Die derzeitigen Förderungen von 25 bis 40 Prozent für den Einbau von Wärmepumpen liegen künftig bei 30 bis 50 Prozent. Der Sockelbetrag liegt bei 30 Prozent, ganz gleich für welche Wärmetechnologie man sich entscheidet, solange es nicht Gas oder Öl ist. 10 Prozent kommen hinzu, wenn eine Heizung 5 Jahre vor der bisherigen Umtauschpflicht getauscht wird. So sollen nicht nur die ältesten Heizungen zuerst verschwinden, sondern auch die Beantragungszeiträume aber auch die Nachfrage bei dem ohnehin überstrapazierten Wärmepumpen- und Handwerkerangebot gesteuert werden.

Wem die Heizung irreparabel ausfällt, erhält ebenfalls 40 Prozent Umbauförderung. Der Höchstwert von 50 Prozent gilt für Bezieher von Sozialhilfen, die eine funktionierende Heizung vorzeitig austauschen, und Menschen ab 80 Jahren, die eine mindestens 30 Jahre alte Heizung austauschen, obwohl sie von dieser Austauschpflicht grundsätzlich ausgenommen sind. Für Menschen mit kleinem und mittleren Einkommen, die in keine dieser Kategorien fallen, ändert sich bei dieser Form von Direktzahlungen erst einmal vergleichsweise wenig. So erhält auch jetzt schon bis zu 40 Prozent Förderung, wer seine kaputte Heizung durch eine Wärmepumpe ersetzt. Die Förderung für die oft mit anfallende Wärmedämmung und Umrüstung von Heizkörpern auf Bodenheizung bleibt erst einmal unverändert.

Stärker fällt deshalb ins Gewicht, wie die Förderkredite von bis zu 60.000 Euro für die nicht geförderte Finanzierungssumme ausfallen werden. Diese sollen langfristig und zinsniedrig sein und Tilgungszuschüsse beinhalten, wenn die Energieeffizienz eines Gebäudes innerhalb des Rückzahlungszeitraums gesteigert wird. Die Details dieser Förderkredite stehen noch nicht und könnten Teil eines mühsamen Aushandlungsprozesses im Bundestag werden.

Reicht Habecks Sonderfonds?

Nachdem der Konflikt bislang vor allem zwischen Grünen und FDP verlief, zeichnen sich zunehmend auch Spannungen zwischen SPD und FDP ab. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch mahnte "eine angemessene Förderung, insbesondere für Haushalte mit kleineren und mittleren Einkommen" an. Dem dürften die Grünen nicht widersprechen. Lindner stellt aber die Finanzierungsfrage: Schon jetzt übersteigen die Kosten der Förderrichtlinien nach Schätzungen seines Hauses mit 12 Milliarden Euro die Finanzierungsmöglichkeiten durch den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Sollten die Förderungen auf SPD-Betreiben hin noch größer ausfallen, würde das Geld erst recht knapp.

Habeck dagegen erklärte am Mittwoch: "Die Finanzierung ist gesichert. Das Geld kommt aus dem KTF." Der Mehrbedarf sei "überschaubar", sagte Habeck. Bis zur parlamentarischen Sommerpause Ende Juli, so der erklärte Wille aller drei Regierungsparteien, soll das GEG durch den Bundestag sein. Der Bundesrat, das war den Beteiligten mit Blick auf Blockademöglichkeiten der Union wichtig, muss nicht zustimmen.

Verbraucherschutz vor Klima-Frage?

Kurios ist, dass die Kosten des Vorhabens auch dadurch steigen, dass sich Habeck an einem anderen Punkt nicht durchsetzen konnte: "Es ist in der Tat so, dass die Förderung nach oben hin offen ist. Darauf haben wir uns nicht verständigen können, eine Einkommensprüfung vorzunehmen und nach oben hin abzuschneiden." Zumindest wird die Höchstmenge einer Förderung gedeckelt, sodass Besitzer kleiner Häuschen und großer Villen zwar gleich behandelt werden, der Villenbesitzer in absoluten Zahlen für die Umrüstung aber mehr wird investieren müssen.

Habeck und Geywitz setzen bei der Vorstellung der Gesetzesnovelle ihren Fokus auffällig auf den sozialen und weniger auf den ökologischen Aspekt des Vorhabens. Dabei ist der Gebäudesektor ein Schlüssel auf dem Weg zur Dekarbonisierung: Er ist für 30 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich, weil derzeit 50 Prozent aller Gebäude mit Gas und 25 weitere Prozent mit Öl beheizt werden.

Es sei eine Frage des "Verbraucherschutzes", Hauseigentümer von "Fehlinvestitionen" abzuhalten, sagten Habeck und Geywitz unisono. Im vergangenen Jahr seien noch 600.000 neue Gasheizungen verbaut worden, obwohl der für 2027 beschlossene europäische Emissionshandel für den Verkehrs- und Wärmebereich die Preise von Öl und Gas absehbar in die Höhe treibe, sagte Geywitz. Hier habe das Preissignal nicht gewirkt, weil Verbraucher in ihren Entscheidungen künftige Preise nicht antizipieren würden. Deshalb könne die Gebäudewärme nur ordnungsrechtlich geregelt werden. Auf Deutsch: Gas- und Ölheizungen werden verboten, wenn sich die Koalition nicht doch noch im Parlament zerlegt. Wessen Heizung bis dahin hält, der muss spätestens 2045 umstellen.

Quelle: ntv.de

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