Kaum Waffen, zu geringe Mittel Der ungleiche Kampf gegen Boko Haram
21.01.2015, 11:50 Uhr
Nigerias Regierung sagt, die Soldaten sollen bessere Waffen für den Kampf gegen Boko Haram bekommen.
(Foto: Nic Robertson / CNN)
Mit schlechteren Waffen kämpfen die nigerianischen Soldaten gegen die Terrormiliz Boko Haram. Die Witwen der Soldaten erhalten kein Geld, die Verwundeten keine Pflege. So kann Nigeria den Terror nicht besiegen.
Ich wollte die Frage nicht stellen. "Glauben Sie, dass ihr Ehemann tot ist?" Ihr junges Gesicht verzerrt sich und es schießen Tränen in die geröteten Augen. "Ich weiß es nicht. Ich bete zu Gott, dass er noch eine weitere Chance bekommt", stottert sie. Ihr Schmerz ergreift Besitz von uns beiden.
Die Frau hat drei Kinder. Vor vier Monaten hat sich deren Vater verabschiedet, um zu seiner Heereseinheit zu stoßen, die an vorderster Front an Nigerias Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram teilnimmt. Zuletzt gesehen hat man ihn, als sich Boko-Haram-Kämpfer näherten. Er hat geschossen - und geblutet. Seine Kammeraden haben das Weite gesucht.
Eine dreistündige Autofahrt nördlich der Hauptstadt Abuja, in der Stadt Jos, trifft der größtenteils muslimische Norden des Landes auf den vornehmlich christlichen Süden. Nordöstlich von hier befindet sich eine Landmasse von der Größe Belgiens, die von Boko Haram kontrolliert wird und wo die radikale Ideologie die Bewohner in Angst und Schrecken versetzt.
"Sie haben nicht die Ausrüstung, um zu kämpfen"
Die Taktiken Boko Harams ähneln jenen des selbsternannten Islamischen Staats im Irak und in Syrien: Terror verbreiten und die Kontrolle über das Land übernehmen. Bis zu ihrem letzten grausigen Angriff auf die Grenzstadt Baga, bei dem Boko Haram Schätzungen zufolge bis zu 2000 Menschen getötet hat, war die aufsehenerregendste Attacke der Fundamentalisten die Entführung von 200 Schülerinnen im April letzten Jahres. Die Opfer werden noch immer vermisst und die Regierung macht nicht den Eindruck, als wisse sie, wie sie diese Mädchen zu befreien gedenkt.
Die an der Konfliktlinie gelegene Stadt Jos ist die Heimat Tausender Soldaten. Und die Kämpfer wissen Geschichten von weiteren Fehlern der Regierung zu erzählen. Ein Soldat erklärt mir, dass er verletzt auf dem Schlachtfeld zurückblieb, während seine Kameraden flüchteten. Er wirft ihnen das nicht vor. "Sie haben nicht die Ausrüstung, um zu kämpfen", sagt er.
Verwundet und alleine trat er die siebzig Kilometer Fußmarsch zurück zur Basis an. Drei Tage benötigte er dafür. Endlich angekommen, weigerten sich die Armeesanitäter, die 200 Dollar für die Medizin zur Behandlung seiner Wunden zu bezahlen.
Niemand weiß, wer Freund und wer Feind ist
Was Ausrüstung angeht, sind die nigerianischen Truppen hoffnungslos unterlegen. Boko Haram verfügt über Flakgeschütze, während die Gegenseite mit vergleichsweise kleinen AK-47 Kalaschnikow-Maschinengewehren auskommen muss, für die obendrein pro Person lediglich 60 Patronen zur Verfügung gestellt werden.
Die Moral in der Truppe wird immer schlechter. Ein junger Offizier sagt, dass das Problem die Korruption sei. "Nicht nur die Generäle", weiß er und fügt an, "jeder in diesem Land möchte reich werden - koste es, was es wolle."
Milliarden, die für Verteidigung abgestellt werden, erreichen die Truppen gar nicht erst. "Man besorgt sich seine Ausrüstung selbst", erklärt einer der Soldaten. Es gebe auch keine einheitlichen Uniformen, berichtet ein anderer. "Dies sind alles Fantasieuniformen." Das ist der Grund, warum stets das blanke Chaos ausbricht, wenn die Kämpfer vor Boko Haram flüchten. Niemand weiß mehr, wer Freund und wer Feind ist.
Die Familien, die von den Toten hinterlassen werden, stehen vor dem Nichts. "Als mein Ehemann gestorben ist, haben sie ihn begraben, ohne mir etwas davon zu sagen", erzählt mir eine Witwe. Sie erhält keine Armeerente. Es gebe unzählige andere, denen es genauso gehe, sagt sie in schüchternem Ton. Offen darüber sprechen möchte sie nicht, schließlich lebt sie mit ihrer Familie noch immer in der Kaserne.
Die Regierung versichert uns, dass sie daran arbeite, den Truppen bessere Waffen zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich haben die Soldaten bessere Ausrüstung bitter nötig, wenn sie das Kriegsgeschick wenden sollen.
Quelle: ntv.de