Nur Geld für Schnaps und Frauen? Dijsselbloem gerät ins Kreuzfeuer
22.03.2017, 11:26 Uhr
Für Klischees "kein Platz": Jeroen Dijsselbloem, hier zwischen Schwedens Finanzministerin Magdalena Andersson (l.) und EU-Kommissar Pierre Moscovici (r.) am Rand des EU-Finanzministertreffens in Brüssel.
(Foto: REUTERS)
Wofür geben Südeuropäer ihr Geld aus? Mit einer mehr als fragwürdigen Einschätzung löst Eurogruppenchef Dijsselbloem empörte Reaktionen aus. Parteiübergreifend wachsen die Zweifel an seiner Eignung. Eine Entschuldigung lehnt er bislang ab.
Der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, zieht mit seinem Vorwurf, südliche Euroländer hätten ihr Geld "für Schnaps und Frauen" verschwendet, Kritik aus allen Richtungen auf sich. In der Eurozone gehe es "um Verantwortung, Solidarität, aber auch um Respekt", kommentierte etwa der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, der CSU-Politiker Manfred Weber, Dijsselbloems Worte. Für Klischees sei da "kein Platz". Mit den Sozialdemokraten kritisierten auch Parteifreunde den Niederländer.
Italiens ehemaliger Premierminister Matteo Renzi forderte den Rücktritt Dijsselbloems. "Leute wie Dijsselbloem (...) verdienen nicht die Rolle, die sie einnehmen." Spanische Politiker bezeichneten die Aussage als "rassistisch und machohaft".
Der niederländische Finanzminister hatte in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erklärt, die nördlichen Euroländer hätten sich mit den Krisenstaaten im Süden solidarisch gezeigt. Wer Solidarität einfordere, habe aber auch Pflichten, sagte Dijsselbloem. "Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten", zitierte ihn die FAZ wörtlich.
Als Eurogruppenchef ungeeignet?
Dijsselbloems "Schnaps und Frauen"-Vergleich hat seinem Ansehen als Eurogruppenchef schwer geschadet. Besonders groß ist die Empörung insbesondere in den Euro-Staaten im Süden Europas. "Ich frage mich wirklich, wie jemand mit diesen Ansichten noch immer Vorsitzender der Eurogruppe sein kann", sagte etwa der italienische Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Gianni Pittella. Die Äußerungen seien "beschämend" und "diskriminierend gegenüber den Ländern Südeuropas".
Der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva, auch ein Sozialdemokrat, betonte, Dijsselbloems Äußerungen seien "vollkommen inakzeptabel". Er sei nicht geeignet, "um Vorsitzender der Eurogruppe zu bleiben". Damit droht die Aufregung um Dijsselbloems Formulierungen auch seine politischen Karriereaussichten zu überschatten.
Wahlniederlage in den Niederlanden
Der 50-jährige Dijsselbloem ist 2013 Eurogruppen-Chef. Sein Mandat war im Juli 2015 um nochmals zweieinhalb Jahre verlängert worden und endet regulär am 1. Januar 2018. Nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten in den Niederlanden dürfte er nun aber seinen Posten als Finanzminister in den kommenden Wochen verlieren. Das Amt hält er derzeit nur kommissarisch inne. Die Euro-Staaten sind uneins in der Frage, ob er bis zum Ende seiner Amtszeit noch Eurogruppenchef bleiben kann.
Bei einer Anhörung im EU-Parlament weigerte sich Dijsselbloem, sich für seinen "Schnaps und Frauen"-Vorwurf zu entschuldigen. "Nein, sicherlich nicht", sagte er auf eine entsprechende Forderung eines EU-Abgeordneten.
Zuletzt bemühte sich sein Sprecher, auf die empörten Reaktionen einzugehen und den fragwürdigen Vergleich des Eurogruppen-Chefs einzuordnen. Er habe allgemein über die Solidarität in der Eurozone gesprochen und nicht bestimmte Länder kritisiert, sagte ein Sprecher des niederländischen Finanzministers in Den Haag.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa