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Ukraine-Talk bei Maybrit Illner "Es wird jetzt Verluste geben"

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Ukrainische Soldaten ruhen sich in einem Graben an der Frontlinie in der Nähe von Kreminna aus.

Ukrainische Soldaten ruhen sich in einem Graben an der Frontlinie in der Nähe von Kreminna aus.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Am zerstörten Kachowka-Staudamm droht eine furchtbare Naturkatastrophe. Doch gleichzeitig könnte die ukrainische Armee mit ihrer lange erwarteten Großoffensive begonnen haben. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner haben sich die Gäste am Donnerstagabend über die Situation in der Ukraine unterhalten.

Die Situation am zerstörten Kachowka-Staudamm in der Ukraine ist noch immer unübersichtlich. Doch klar ist: Es droht eine Naturkatastrophe ungekannten Ausmaßes. Aber offenbar lassen sich die ukrainischen Soldaten dadurch nicht entmutigen. Vieles deutet darauf hin, dass die lange erwartete Offensive der Armee begonnen hat. Über die aktuelle Lage haben sich am Donnerstag die Gäste in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner unterhalten.

Die Bilder aus der Region um Cherson lassen die Dimension der Zerstörung durch den gesprengten Kachowka-Staudamm nur erahnen. In dem Gebiet, ein Teil der Kornkammer der Ukraine, wird auf viele Jahre nichts wachsen können. Denn die Ackerböden werden von den Fluten weggeschwemmt.

Zusätzliche warnt das ukrainische Fernsehen am Abend: Der Stausee führt nicht mehr genug Wasser, um das 150 Kilometer entfernte Atomkraftwerk Saporischschja zu kühlen. Noch führen künstliche Becken bei dem Kraftwerk genug Kühlwasser, unklar sei aber, wie lange noch. Das von Russland kontrollierte Atomkraftwerk ist nicht mehr am Netz. Dennoch muss der Brennstoff in den Reaktorkernen und im Staubecken ständig gekühlt werden. Wird er zu heiß, droht eine Kernschmelze, Radioaktivität würde freigesetzt.

AKW für viele das kleinste Problem

Akut haben die Menschen in der Region Cherson jedoch andere Probleme. Sie müssen vor den Wassermassen fliehen. In vielen Orten gibt es keinen Strom, es fehlt an Trinkwasser. Außerdem besteht laut Politikwissenschaftler Christian Mölling die Gefahr von Seuchen. Denn in dem Wasser treiben jede Menge Tierkadaver, in einigen Dörfern wurden Friedhöfe weggeschwemmt.

Bei Maybrit Illner weist Mölling zudem auf die militärische Tragweite der Explosion hin: Russland habe offenbar vorgehabt, den Damm zu einem späteren Zeitpunkt zu sprengen. In dem Wasser treiben Explosionsstoffe und Minen, von denen eine Gefahr für die Menschen ausgehen könnte.

Mölling glaubt, dass Russland für die Zerstörung des Staudamms verantwortlich ist. Doch er ist von dem Zeitpunkt überrascht. Er erklärt: "Es gibt einige Thesen, die besagen, dass es entweder eine verfrühte Sprengung war, oder es ist ein Loch entstanden, das man in dieser Größe gar nicht haben wollte." Dafür spricht seiner Ansicht nach, dass die russische Armee weder die eigenen Leute noch das eigene Material vorher in Sicherheit gebracht hat. "Militärs lieben eigentlich kontrollierte Aktionen. Was hier passiert ist, war nicht sehr kontrolliert. Vieles spricht dafür, dass es in der Dimension, die wir jetzt sehen, nicht passieren sollte", sagt Mölling.

"Für die Ukraine als Täter spricht nichts"

Auch Liana Fix glaubt: Für die Staudamm-Zerstörung ist Russland verantwortlich. Die Politikwissenschaftlerin, die für die Körber-Stiftung arbeitet, berichtet über entsprechende Informationen von US-Geheimdiensten. "Insgesamt tendiert Washington dazu, Russland hinter diesem Dammkollaps zu sehen", sagt sie bei Maybrit Illner. Doch hundertprozentige Beweise gibt es dafür offenbar noch nicht. "Es ist etwas, das zur russischen Kriegführung passt."

Grünen-Chef Omid Nouripour stimmt ihr zu: "Auch Bundeskanzler Scholz spricht von einer neuen Dimension der Kriegführung Putins, und ich bin da sehr seiner Meinung", sagt er. "Für die Ukraine als Täter spricht nichts, weder Machbarkeits- noch Motivationsfragen. Alles spricht dafür, dass der Kreml die Verantwortung trägt." Für den russischen Präsidenten Putin gehe es darum, brachiale Symbole zu setzen. Sein Ziel sei es, den Menschen in der Ukraine und im Westen Angst einzujagen.

"Aber Putin hat seine Karten zu früh verspielt", sagt Liana Fix. Schon zu Beginn des Krieges habe er mit einem Atomangriff gedroht, aber jeder habe gewusst, dass das ein Bluff war. Inzwischen seien Kampfjets im Spiel, "und die Biden-Administration zeigt keine überaus besorgte Reaktion, wenn die Ukraine Drohnen nach Russland schickt." Inzwischen habe sogar China Putin vor dem Einsatz von Atomwaffen gewarnt, "und das ist ein Partner, der für Putin wichtiger ist als der Westen."

Ukrainische Offensive hat wahrscheinlich begonnen

Unterdessen hat laut Mölling die ukrainische Offensive mittlerweile begonnen. "Man sieht ein starkes Ansteigen der militärischen Aktivitäten seit mehreren Tagen." Die ukrainische Armee wage sich stärker an die russischen Stellungen heran. "Das ist aber sicher noch nicht die Hauptoffensive, sondern der Versuch, herauszufinden, wo was geht", sagt Mölling. Aktuell könne man Kämpfe in der Nähe der Stadt Bachmut und an zwei Stellen östlich von Saporischschja beobachten. Die Ukraine habe vermutlich mehrere Pläne, und sie werde jetzt auf den russischen Widerstand reagieren.

Doch Mölling hat auch eine schlechte Nachricht. Er weiß: "Es wird jetzt Verluste geben. Und wir werden westliches Kampfmaterial sehen, das kaputtgeht. Das wird eine riesige Materialschlacht werden."

Quelle: ntv.de

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