Affäre um "D-Day-Papier" FDP-Generalsekretär Djir-Sarai tritt zurück
29.11.2024, 11:07 Uhr Artikel anhören
Der Druck ist am Ende zu groß: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai muss in der Affäre um das "D-Day-Papier" zu strategischen Überlegungen über den Ampel-Bruch seinen Posten räumen. Er habe "unwissentlich" falsch über das interne Dokument informiert, gibt er zur Begründung an.
Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, tritt zurück. Er ziehe damit die Konsequenzen aus den "D-Day"-Enthüllungen, sagte Djir-Sarai. "Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte", sagte Djir-Sarai in der Berliner Bundeszentrale der Partei. "Weder von der Erstellung noch von der inhaltlichen Ausrichtung. Dafür entschuldige ich mich", betonte er in seiner kurzen Stellungnahme.
"Für einen solchen Vorgang ist der Generalsekretär verantwortlich", sagte Djir-Sarai. "Daher übernehme ich die politische Verantwortung, um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der FDP abzuwenden." Danach verließ Djir-Sarai das Podium, Fragen der Journalisten waren nicht zugelassen. Kurz nach dem Rücktritt Djir-Sarais räumte auch FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann seinen Posten. Laut FDP wolle auch Reymann damit eine personelle Neuaufstellung der Partei vor der Bundestagswahl ermöglichen. Anders als Generalsekretär Djir-Sarai arbeitete Reymann im Hintergrund. Der Bundesgeschäftsführer war erst seit dem 1. März im Amt. Davor war er zunächst Büroleiter von Lindner im Bundestag und dann im Leitungsstab des Bundesfinanzministeriums tätig.
Djir-Sarai, ebenfalls ein Vertrauter von FDP-Chef Christian Lindner, reagiert mit seinem Schritt auf das sogenannte "D-Day-Papier" seiner Partei, das am Vortag öffentlich wurde. Erste Berichte darüber gab es jedoch schon vor etwa zwei Wochen. Das Dokument enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. In ihm ist zum Beispiel davon die Rede, dass der "ideale Zeitpunkt" für einen "avisierten Ausstieg" aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses - indem Kanzler Olaf Scholz bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.
Djir-Sarai hatte noch am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die "D-Day"-Formulierung betont: "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden." Offenbar hatte er bei seiner Rücktrittserklärung diesen Widerspruch im Blick.
Julis zählten Djir-Sarai kurz zuvor noch an
Unmittelbar vor der Erklärung Djir-Sarais hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs gefordert. "Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten", schrieb Brandmann bei X.
Sie erklärte, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei "einer liberalen Partei unwürdig". Nicht nur die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein , sondern auch die eigene Partei. "Das gilt auch für mich - auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird", so Brandmann.
Das Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff "D-Day" mehrfach auf - als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der Ampel. Der englische Begriff "D-Day" kann mit "Tag X" übersetzt werden - oder auch "Tag der Entscheidung" meinen. Bekannt ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Den Auftakt dafür markierte der "D-Day" am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.
Djir-Sarai war seit April 2022 Generalsekretär der FDP. Er wurde 1976 in Teheran geboren, kam in jungen Jahren nach Deutschland, wo er Abitur machte und Betriebswirtschaftslehre studierte. 2009 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt. Seit 2017 gehört er dem Parlament wieder an. Er war von 2017 bis 2021 außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und ist nach wie vor Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Djir-Sarai vertritt den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Neuss I im Bundestag. Er ist auch Mitglied im Landesvorstand der NRW-FDP.
Quelle: ntv.de, jog/dpa