Politik

Der krawallige Gipfel G20? Wer weiß schon, ob es das wert war

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Die Ausschreitungen eskalierten vor allem im nächtlichen Hamburg.

(Foto: dpa)

Der G20-Gipfel ist vorüber: Einem erheblichen Gewaltexzess stehen magere Fortschritte der Politik gegenüber. Das wirft viele Fragen auf. Zu viele für ein schnelles Urteil.

Die Bilanz des G20-Gipfels in Hamburg: Mehr als 200 Polizisten und noch ungezählte Demonstranten wurden verletzt - auch friedfertige. Etliche Geschäfte wurden ausgeraubt, Straßen und Fassaden ramponiert, Autos verbrannt. In der Millionenstadt stand für Tage das öffentliche Leben still. Unternehmer müssen Umsatzeinbußen verkraften, die ihnen niemand ersetzt. Für viele Hamburger dürfte der Gewaltexzess auch Spuren auf der Seele hinterlassen haben. Und auch für viele Nicht-Hamburger werden von diesem Gipfel wohl zunächst die Bilder von Rauschschwaden über der Stadt und von Sondereinheiten mit Maschinengewehren auf den Straßen in Erinnerung bleiben.

War es das wert? Stellt man dem Krawall die greifbaren Ergebnisse des Gipfels gegenüber, heißt die Antwort sicher: nein.

Beim großen Thema Freihandel fällt das Ergebnis des Gipfels mager aus. In der Abschlusserklärung steht ein klares Jein zum Protektionismus. Die G20 erkennen "die Rolle legitimer Verteidigungsinstrumente im Handel" an, heißt es da.

"US-Präsident Donald Trump wird weiter auf Abschottung setzen und behaupten, dass dies kein Protektionismus ist", sagt Katharina Dröge, grüne Sprecherin für Wettbewerbspolitik, n-tv.de. "In der Handelspolitik sind alle zentralen Konflikte weiter offen." Eine Agenda dafür, den Welthandel fairer zu gestalten, kann die Grüne nicht erkennen.

19 zu 1 beim Klima

Beim Thema Klima traten die Differenzen noch offener zutage. Die G20 einigten sich darauf, sich nicht einig zu sein. 19 zu 1. Oder: Alle gegen Trump. Immerhin, könnte man zunächst denken. Von wegen. Der letzte Gipfeltag war noch nicht vorüber, als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, dass auch das türkische Parlament das Abkommen wohl nicht ratifizieren werde.

Die G20 schafften es wegen des Widerstands von Russland und China nicht einmal, auf die Sanktionierung von Schleppern zu pochen. Papst Franziskus sah sich gezwungen, vor "sehr gefährlichen Allianzen" zwischen den Großmächten zu warnen. Allianzen, die sich gegen Flüchtlinge weltweit richten könnten.

Handel, Klima, Migration - keine nennenswerten Fortschritte auf drei großen Feldern. Hinzu kommt: G20-Gipfel sind grundsätzlich keine Beschluss-Gremien. Einigungen haben in der Regel monatelangen Vorlauf, so wie im Falle der beschlossenen Waffenruhe für Teile Syriens durch die USA und Russland. Die Einigungen werden auf dem Gipfel nur noch zelebriert. Und dann sind sie nicht einmal rechtlich bindend.

Wirklich alternativlos?

Rechtfertigt die Inszenierung von Politik das Chaos, das Hamburg heimgesucht hat? Tut sie das auch dann noch, wenn die Inszenierung in vielerlei Hinsicht auch noch so schiefgeht? Berechtigte Fragen - und es stellen sich weitere.

Zum Beispiel: Was wäre die Alternative? Deutschland war turnusmäßig an der Reihe, den G20-Gipfel auszutragen. Ein Tagungsort in der Provinz wäre keine Option gewesen. Weil der Platz für die vielen Delegationen gefehlt hätte. Und ob es in München oder Berlin wirklich zu weniger Krawall gekommen wäre, ist Spekulation. Berlin hat ebenfalls eine starke linksextreme Szene. Und was München betrifft: Die bayerische Landeshauptstadt ist weißgott kein schwer zugänglicher Ort. Wie mobil gewaltbereite Kapitalismusgegner sind, wenn es darum geht, Randale zu machen, hat sich auch in Hamburg gezeigt. Die Leute kamen aus ganz Europa, wie schon bei früheren Gipfeln. Außerdem gilt: Berlin ist durch das Regierungsviertel dauerbelastet und München muss jedes Jahr die Sicherheitskonferenz stemmen. Vielleicht gibt es die Alternative anderer Städte nur theoretisch.

Hätte nicht auch eine Telefonkonferenz gereicht? Nicht, wenn der Eindruck von Hinterzimmerverhandlungen vermieden werden soll, die auch den notwendigen friedlichen Protest ausschließen.

Hätte die Bundesregierung den Gipfel nicht einfach absagen können? Sollte sie fortan grundsätzlich auf gigantische multilaterale Politikspektakel wie dieses verzichten? So richtig viel haben geladene Staats- und Regierungschefs bei diesen Gelegenheiten auf den ersten Blick doch nie gesagt. Das ist leicht gesagt. Nur sind die Beschlüsse solcher Gipfel schwer messbar und es gab in der Vergangenheit durchaus auch Erfolge. Und was wäre so eine Absage für ein Signal in Zeiten Trumps und zunehmenden Nationalismus? Und welche Folgen hätte sie?

Der heftige Kontrast zwischen dem Chaos und den mageren Ergebnissen des Gipfels provoziert schnelle Urteile. Sie sind derzeit überall zu lesen und zu hören. Der G20-Gipfel in Hamburg wirft aber auch sehr viele Fragen auf. Fragen, die sich kaum pauschal beantworten lassen. Das gilt vielleicht auch für die, ob man Krawall und Kosten ohne Weiteres gegen den Nutzen des Gipfels aufrechnen kann.

Quelle: ntv.de

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