Nuklearschirm-Debatte Gabriel kritisiert "Provinzialisierung" in Deutschland
14.02.2024, 10:06 Uhr Artikel anhören
Früher war weniger Provinz - das glaubt zumindest Ex-Außenminister Gabriel.
(Foto: picture alliance / AA)
Ex-Außenminister Gabriel äußert sich nun auch in der Debatte über die Verteidigungsfähigkeiten der EU. Europa brauche "eine glaubwürdige Abschreckung", sagt er. Zugleich kritisiert er Berlin scharf und meint: Der Rest der Welt wendet sich von Deutschland ab.
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel fordert den Ausbau von nuklearen Fähigkeiten in der EU, um die Abschreckungsfähigkeit Europas zu erhöhen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente", schreibt der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für den "Stern". "Der amerikanische Schutz wird absehbar zu Ende gehen, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, muss jetzt beginnen. Wenn wir diese Frage nicht beantworten, werden andere es tun. Zum Beispiel die Türkei. Das kann nicht unser Interesse sein."
Gabriel drängt zudem die Bundesregierung dazu, die Initiative zu ergreifen. "Das ist keine einfache Aufgabe und nichts, was über Nacht zu lösen ist. Aber Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas muss diese Debatte vorantreiben und aufhören, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Zurzeit provinzialisieren wir jeden Tag etwas mehr. Und der Rest der Welt merkt das und wendet sich von uns ab."
Gabriel zufolge ist jetzt eine "große strategische Offensive Deutschlands und Frankreichs, am besten zusammen mit den Briten" nötig, um die Sicherheit Europas zu erhöhen. "Dazu gehört auch zu klären, wie wir die Ukraine unterstützen, wenn eine US-Regierung unter Trump dies nicht mehr tun will. Meine Sorge ist, dass wir die Bedrohung, die davon für Europa ausgeht, immer noch nicht wirklich wahrnehmen."
CDU kritisiert Diskussion im "luftleeren Raum"
Die SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Katarina Barley, hatte zuvor ebenfalls in einem Interview wegen der jüngsten Äußerungen des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel gezogen. Trump hatte am Wochenende deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde.
Die Diskussion um eine europäische nukleare Abschreckung erfolgt derzeit völlig im luftleeren Raum", kritisiert dagegen der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul. "Es fehlt derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage für ein solches Ziel", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa