US-Vorwahlen starten mit Iowa Geht mit Trump, geht mit Gott
15.01.2024, 20:13 Uhr Artikel anhören
Haushoher Favorit - landesweit, nicht nur beim Vorwahlauftakt im Mittleren Westen.
(Foto: AP)
Er mag nicht der moralisch einwandfreie Bewerber sein - aber für die Mehrheit gläubiger Republikaner ist Donald Trump trotzdem der beste Präsidentschaftskandidat. Manche überhöhen ihn sogar zum Gottgesandten. Trump greift das offensichtlich gerne auf.
Die Kamera zoomt auf einen virtuellen Planeten Erde. "Und am 14. Juni 1946, Gott blickte auf sein geplantes Paradies und sagte: Ich brauche einen Verwalter." Überblende zu einem Babyfoto. "Also gab Gott uns Trump." Die Szene ist Teil eines inoffiziellen Videos, das der Ex-Präsident am Freitag auf Truth Social teilte. Auch bei Wahlkampfauftritten im Bundesstaat Iowa zeigte sein Team den "Gott schuf Trump" betitelten Zusammenschnitt.
In US-Medien äußerten sich über das Wochenende kurz vor dem Vorwahlstart per Caucus mehrere evangelikale Pfarrer kritisch. "Er ist definitiv nicht der Messias", sagte einer von ihnen beim "Christian Broadcasting Network": "Mehr Demut wäre angebracht."
Im Gegensatz zu zweifelhafter himmlischer Unterstützung hat Trump sicher weltliche Argumente auf seiner Seite. In den letzten Umfragen in Iowa vor den republikanischen Vorwahlen kommt Trump laut "fivethirtyeight" auf 51,1 Prozent, es folgten Nikki Haley mit 17,3 Prozent und Ron DeSantis mit 16,1 Prozent. Alles sieht danach aus, als würde der Ex-Präsident mit einem historischen Vorsprung den Caucus für sich entscheiden. Bislang liegt der Rekord bei rund 13 Prozent.
Die US-Amerikaner entscheiden in allen Bundesstaaten über ihren Favoriten für die Kandidatur der Republikaner, bevor dieser im November bei der Präsidentschaftswahl antritt, aller Voraussicht nach gegen den aktuellen Staatschef Joe Biden. Iowa ist kein repräsentativer Bundesstaat für das Land, aber für die Republikaner, auf die sich die Stimmen der weißen Evangelikalen konzentrieren, wichtig. Eine überwältigende Mehrheit der Konservativen dort sind Christen. Die größte Gruppe sind Evangelikale, die laut Schätzungen etwa zwei Drittel der Caucus-Teilnahmer ausmachen könnten.
Nach Iowa werden die Vorwahlen der Republikaner in den kommenden Wochen in New Hampshire, Nevada und South Carolina stattfinden, bevor sie sich im Frühjahr auf den Rest des Landes ausdehnen. Der endgültige Kandidat wird auf dem Nationalkongress der Partei im Juli bestätigt. Feiert Trump in den ersten Bundesstaaten überzeugende Erfolge, wird es für seine Konkurrenten nahezu unmöglich, ihn aufzuhalten.
Trump vertritt evangelikale Interessen
Für viele gläubige Christen ist Trump die beste Wahl - trotz seiner Fehlbarkeiten und 91 Anklagepunkte in vier Gerichtsprozessen gegen ihn. Der Präsident der einflussreichen Iowa Faith and Freedom Coalition ("Koalition Glaube und Freiheit"), sagte der BBC, dass Trump sich für die religiösen Konservativen eingesetzt habe und erwartete, dass er dies erneut tun werde. "Evangelikale Wähler wissen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Dinge schief gelaufen sind", wird er zitiert: Kulturkrieg, Gender, Wokeness. "Sie glauben, dass die Dinge sehr schlimm sind, und wenn sie sich nicht einmischen, sie noch viel schlimmer werden."
Während seiner Präsidentschaft hatte Trump den Evangelikalen sogar mehr Leben eingehaucht. Landesweit konvertierten weiße US-Amerikaner, die den damaligen Präsidenten positiv beurteilten, zu den Evangelikalen - ihr Anteil stieg von 25 Prozent bei Trumps Amtsantritt 2016 auf 29 Prozent zum Ende seines Mandats, stellte Pew Research fest. Er bemühte sich in seiner Amtszeit aktiv um die Unterstützung gläubiger Christen, betete mit ihnen im Weißen Haus, ließ sich segnen, erwähnte Gott in seinen Reden nachdrücklich.

Abgeschlagener Vierter in Umfragen, aber trotzdem mit religiösem Wahlkampf in Iowa: Vivek Ramaswamy.
(Foto: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire)
Trump geht nicht häufig in die Kirche, aber trotzdem sieht ihn die Mehrheit der Republikaner als "Person des Glaubens"; mehr als jeden der anderen republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur, mehr als den Demokraten Biden, ein bekennender und praktizierender Katholik. Im Jahr 2020 hatte Trump angekündigt, er sehe sich ab jetzt als "konfessionsloser Christ" - so wie viele Evangelikale.
Mit Gott gegen "die Marxisten"
Diese Basis ist in Iowa weiß, christlich und kulturell konservativ, aber nicht unbedingt praktizierend. Immer häufiger treten solche Menschen aus Kirchen aus, halten aber an ihrem Glauben fest. "Menschen, die ihr Land lieben und an Gott, aber nicht die typischen Kirchgänger sind - diese Menschen hat er zur Herde hinzugefügt", zitiert die "New York Times" den Gründer der landesweiten Organisation Pastors for Trump (Pfarrer für Trump). Nur ein Prozent der Bevölkerung in Iowa bekennt sich zu einem anderen Glauben.
Die Unterstützung des Ex-Präsidenten hat unter anderem damit zu tun, dass Trump in seiner Amtszeit die Richter ans Oberste Gericht gebracht hatte, die danach das landesweite Abtreibungsrecht kippten. Seit Jahrzehnten mobilisiert der Streit um Abtreibungen die US-Wähler. Eine deutliche Mehrheit gläubiger Christen ist dagegen. In Iowa wollen Abtreibungsgegner nur noch Schwangerschaftsabbrüche bis zur 6. Woche erlauben. Zuletzt scheiterten sie äußerst knapp mit diesem Vorhaben.
Trump bezeichnet seinen Wahlkampf ums Weiße Haus offen als Vergeltungskampagne, hat darüber gesprochen, nach einem Wahlsieg seine politischen Feinde verfolgen zu lassen. Er driftete auch in rechtsextreme Gefilde ab: Einwanderer, die illegal in die USA einreisten, würden "das Blut unseres Landes vergiften", hetzte er. Trotzdem sehen viele Gläubige Trump als ihren Kandidaten. Der Sprecher im Video sagt es so: Er führe den Willen des Herrn aus, sei ein "Schäfer der Menschheit", der "die Marxisten" bekämpfe. Mit "Armen, die stark genug sind, um mit dem tiefen Staat zu ringen." Der tiefe Staat, das ist diese angebliche Verschwörung in Institutionen, die Gewaltenteilung unterwandert und den wahren Willen der Wähler ausbremst.
Quelle: ntv.de