Schneider im ntv Frühstart "Gerade Ostdeutsche wissen: Unter Moskaus Joch willst du nicht leben"
18.06.2024, 11:22 Uhr Artikel anhören
Am Nachmittag trifft Kanzler Scholz die ostdeutschen Ministerpräsidenten. Dort herrschen keineswegs nur Krise, Probleme und schlechte Stimmung. Im Gegenteil: Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, zeichnet ein optimistisches Bild.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, hat das Altern der Bevölkerung als "gravierendste Veränderung" Deutschlands bezeichnet. Im Frühstart bei ntv machte der SPD-Politiker aber auch Hoffnung auf eine Trendumkehr: Abgewanderte Ostdeutsche kehrten in ihre Heimat zurück und weitere Arbeitskräfte zögen hinzu. Zweifel angesichts des niedrigeren Lohnniveaus wischte er beiseite. "Es wird einfach passieren, dass die Löhne in Ostdeutschland aufgrund des Arbeitskräftemangels steigen werden", sagte Schneider.
Er räumte ein, dass mehr Tarifverträge und eine größere gewerkschaftliche Organisation der Arbeitnehmer die Umstände verbessern würden. Dennoch seien die Chancen auf dem Arbeitsmarkt so gut wie noch nie. "Dafür muss man aber auch einladend sein. Und diejenigen, die zurückkommen, aber auch Menschen aus anderen Ländern, willkommen heißen", so Schneider.
Der SPD-Mann aus Erfurt hält die mit den Ergebnissen der Europawahl zutage getretenen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland für weniger dramatisch. "Es wird einfach so sein, dass es eine Normalisierung gibt im Unterschied", sagte Schneider. Unterschiede gebe es nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd und so werde es bleiben. Schneider glaubt dennoch, dass sich ökonomische Unterschiede abbauen lassen. Bei Infrastruktur und Arbeitslosigkeit sei das bereits geschehen, bei den Löhnen werde es passieren.
Dennoch hätten auch die 35 Jahre des Umbruchs bei den Menschen im Osten Spuren hinterlassen. Der SPD-Politiker nannte den regionalen Zusammenbruch ganzer Industrien, Massenarbeitslosigkeit und den Wegzug vieler junger Menschen. "Das hat geprägt und das wirkt sich heute auch in den politischen Einstellungen noch aus", so Schneider.
Schneider sieht noch Chancen für Ost-SPD
Der Ostbeauftragte verteidigte die Ukraine-Politik der SPD. Die Partei mache, was gut für das Land sei. Man unterstütze die Ukraine darin, sich verteidigen zu können. "Gerade Ostdeutsche wissen: Unter Moskaus Joch willst du nicht leben", sagte Schneider. Die Verteidigung der Ukraine sei die Bedingung für ein friedliches Europa.
"Die einfachen Parolen von dieser Ein-Mann-Truppe, Frau Wagenknecht, die verfangen vielleicht kurzfristig, weil es den ausgeprägten Wunsch nach Harmonie und auch nach Frieden gibt." Die Frage sei, wie man das erreiche. Schneider will kein Vertrauen in den russischen Präsidenten Putin setzen, das habe gerade Deutschland zu lange getan. "Ein Leben in Frieden und in Freiheit gibt es nur, wenn wir uns auch an den mittel- und osteuropäischen Ländern orientieren, die sehr genau wissen, woher die Gefahr für sie kommt", so Schneider.
Trotz einstelliger Umfragewerte und prekärer Ausgangslage sieht Scheider durchaus Chancen für die Ost-SPD. Die Partei versuche, für alle Milieus Politik zu machen. Derzeit habe man es aber mit einer "harten Polarisierung" zwischen unterschiedlichen Lebensrealitäten und -formen zu tun. "Davon wird die SPD zermalmt, weil wir uns nicht für eine Seite entscheiden, sondern für alle in der Gemeinschaft Politik machen wollen", sagte Schneider. "Es gibt eine Chance, Vertrauen zurückzugewinnen."
Quelle: ntv.de, ako