Wagenknecht nicht eingeladen Gregor Gysi feiert seinen 75. Geburtstag
16.01.2023, 07:18 Uhr
Ließ offen, ob er 2025 noch einmal für den Bundestag antritt: Gregor Gysi.
(Foto: picture alliance / Alexander Schuhmann)
Gregor Gysi wird 75 Jahre alt. An Ruhestand will der Linken-Politiker jedoch nicht denken. Neben seiner Talk-Reihe im Deutschen Theater und seiner Karriere als Anwalt richtet er den Blick auf 2025. Eine Position im Bundestag würde ihn besonders reizen.
Rund um seinen 75. Geburtstag erlaubt der Terminkalender von Gregor Gysi keine Pause. Politisch in die zweite Reihe getreten, bleibt der Linken-Politiker anderweitig so aktiv wie eh und je. Gysi geht auf Lesetour mit seinen Büchern, setzt seine Talk-Reihe im Deutschen Theater in Berlin fort und übernimmt Anwaltsmandate wie zuletzt für die Klimaaktivisten der "Letzten Generation".
Zu seinem Geburtstag blickt der gelernte Rinderzüchter und Jurist auf über drei Jahrzehnte in der gesamtdeutschen Spitzenpolitik zurück. Als Stimme der Wendeverlierer und Wiedervereinigungsskeptiker prägte der langjährige Linken-Fraktionschef die geeinte Bundesrepublik wie - neben Altkanzlerin Angela Merkel von der CDU- kaum ein anderer Politiker aus dem Osten.
Geboren wurde Gysi 1948 in Berlin als Sohn der Kommunisten Irene und Klaus Gysi. Sein Vater war sieben Jahre lang DDR-Kulturminister. Gysi studierte nach Abitur und paralleler Berufsausbildung Jura und übte den zu DDR-Zeiten eher seltenen Beruf des Rechtsanwalts aus. Dass Gysi keine Funktionärskarriere hinlegte, erklärt er mit Zweifeln am autoritären Kurs der Staatspartei SED.
Distanz zur Staatsmacht umstritten
Wie groß Gysis Distanz zur Staatsmacht tatsächlich war, bleibt umstritten. Er wehrte sich juristisch gegen Berichte, wonach er als Anwalt mit der Stasi kooperiert habe. Zumindest war genug Abstand zur alten Führungsriege, um nach dem Mauerfall Ende 1989 als Hoffnungsträger zum SED-Vorsitzenden gewählt zu werden. Binnen Monaten war der Staat, den diese Partei verkörperte, allerdings Geschichte.
Die durch Mauertote und Stasi-Verbrechen belastete SED in das parlamentarische System des Westens zu integrieren, war ein eigentlich aussichtsloses Unterfangen. Gysi und seinen Mitstreitern gelang es dennoch. Die Nachfolgepartei PDS und später die Linke waren zumindest im Osten über viele Jahre Volkspartei.
In seiner 2017 veröffentlichten Autobiografie "Ein Leben ist zu wenig" berichtet Gysi von den Volten seines Lebenslaufs. Mit dem ihm eigenen Wortwitz und viel Selbstironie schreibt er über seine "geschickten Wanderungen zwischen den Pflichten".
"Ab einem bestimmten Alter musst du dich pflegen"
Kein Geheimnis macht Gysi aus dem hohen Preis für seine politischen Erfolge - drei Herzinfarkte, eine gescheiterte Ehe, Zerwürfnisse mit einst engen Weggefährten. "Es gibt bei mir diesen nahezu körperlichen Reflex, aus- und dagegenzuhalten", sagt Gysi in der Biografie, mit der er auch in diesem Januar auf Lesereise geht.
Er habe rechtzeitig eines gelernt, sagte Gysi nun anlässlich seines Geburtstags dem "Stern": "Ab einem bestimmten Alter musst du dich pflegen." Schwimmen, Radfahren, Tischtennis und Wandern steht auf seinem Freizeitprogramm.
Gewählt wurde Gysi immer auch von Menschen, die der Linken nicht nahe stehen - er zog jeweils per Direktmandat in den Bundestag ein. Sein bislang letztes vom Herbst 2021 trug dazu bei, dass die Linke dank insgesamt dreier Direktmandate wieder im Bundestag ist, obwohl sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.
"Ablehnend bis feindlich"
Eine bittere persönliche Niederlage musste Gysi schon früh in seiner politischen Karriere hinnehmen: Sein einziges Regierungsamt als Berliner Wirtschaftssenator in einer rot-roten Koalition schmiss er 2002 nach wenigen Monaten hin und begründete den Schritt mit eigenem Fehlverhalten im Zusammenhang mit Bonus-Flugmeilen.
In die zweite Reihe der Linken zog Gysi sich nach vielen Jahren als Fraktionschef bereits 2015 zurück. Mehr Freude als seine dauerstreitende und von Spaltung bedrohte Partei bereiten ihm die Gesprächsreihen mit prominenten Zeitgenossen. Hier kann er seine Leidenschaft ausleben, sich lustvoll vor Publikum zu streiten.
Der Gang in den politischen Ruhestand scheint aber längst noch nicht beschlossen. Im "Stern" jedenfalls ließ Gysi offen, ob er 2025 noch einmal für den Bundestag antritt. Reizen würde ihn die Position des Alterspräsidenten, die dem jeweils dienstältesten Abgeordneten zusteht. "Eine gewisse Genugtuung wäre es", sagte Gysi und erwähnte, wie "ablehnend bis feindlich" er 1990 bei seinem Einzug in den Bundestag begrüßt worden sei.
Feiern wollte Gysi im größeren Rahmen mit seiner Bundestagsfraktion, wie er dem "Stern" verriet - und eine private Party geben. Auf die Frage, ob Sahra Wagenknecht dazu auch eingeladen sei, sagt Gysi, auf seiner Gästeliste stünden "eher persönliche Freundinnen und Freunde".
Quelle: ntv.de, Claudia Haas, AFP