Gezielte Tötungen Hamas-Führer leben und sterben im Visier Israels
31.07.2024, 12:46 Uhr Artikel anhören
In Beirut schlägt am 2. Januar 2024 eine Drohne in ein Wohnhaus ein. Dabei stirbt der stellvertretende Chef der Hamas Al-Aruri.
(Foto: picture alliance/dpa)
Jederzeit und überall können Israels Sicherheitskräfte Hamas-Anführer ausschalten, keiner sollte sich sicher fühlen - diesen Ruf untermauert Tel Aviv seit vielen Jahren. Offiziell bekennt sich Israel nicht zur Tötung Hanijas, so wie in vielen ähnlichen Fällen zuvor auch.
Der politische Anführer der radikal-islamischen Hamas, Ismail Hanija, ist nach Angaben der Palästinenserorganisation in der iranischen Hauptstadt Teheran gezielt getötet worden. Die Hamas, die im Gazastreifen im Krieg gegen Israel liegt, machte den Gegner dafür verantwortlich. Israel hat dies bislang nicht bestätigt - wie oft bei den ihm zugeschriebenen Tötungen.
Die israelischen Sicherheitskräfte bemühen sich immer wieder zu demonstrieren, dass sie ihre Feinde ausschalten können - jederzeit und überall. So wurden seit Gründung der Hamas 1987 während der ersten Intifada - des ersten Aufstandes der Palästinenser gegen die israelische Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes - etliche ihrer Anführer und Schlüsselfiguren gezielt getötet.
Jahja Ajjasch - "Der Ingenieur"
Ajjasch galt als Drahtzieher einer ganzen Welle palästinensischer Selbstmordattentate in Israel und trug den Spitznamen "Der Ingenieur". Er starb am 5. Januar 1996, als sein Mobiltelefon in seinen Händen explodierte. Die Palästinenser machten Israel dafür verantwortlich, das sich nicht zu dem Anschlag bekannte. Die Hamas reagierte darauf mit vier Selbstmordanschlägen, bei denen im Februar und März 1996 innerhalb von neun Tagen in drei israelischen Städten 59 Menschen ums Leben kamen.
Chaled Meschaal
Der Hamas-Anführer wurde 1997 international bekannt, als ihm israelische Agenten auf einer Straße vor seinem Büro in der jordanischen Hauptstadt Amman Gift injizierten. Der Anschlag, der vom damaligen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu angeordnet wurde, erzürnte den jordanischen König Hussein derart, dass er davon sprach, die Attentäter zu hängen und den Friedensvertrag zwischen Jordanien und Israel aufzukündigen, wenn nicht das Gegenmittel für das Gift ausgehändigt würde. Israel kam dieser Forderung nach und erklärte sich zudem bereit, den Hamas-Anführer Scheich Ahmed Jassin freizulassen. Nur sieben Jahre später wurde Jassin von Israel im Gazastreifen ermordet.
Ahmed Jassin
Scheich Ahmed Jassin war einer der Gründer der Hamas und ihr geistiger Führer. Er war querschnittsgelähmt und wurde am 22. März 2004 durch einen Raketenangriff von einem Hubschrauber aus getötet, als er eine Moschee in Gaza-Stadt verließ. Israel hatte bereits 2003 versucht, ihn zu töten, als er sich im Haus eines Hamas-Mitglieds in Gaza-Stadt aufhielt. Sein Tod löste in den Palästinenser-Gebieten und der gesamten muslimischen Welt Proteste und Kritik aus. Tausende Palästinenser marschierten durch den Gazastreifen und schworen Israel Rache. Jassins Tod zog eine erhebliche Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts nach sich und verdeutlichte die tief sitzenden Spannungen sowie die enormen Schwierigkeiten bei der Schaffung von Frieden in der Region.
Abdel-Asis Al-Rantissi
Am 17. April 2004 wurde der Hamas-Anführer Abdel-Asis al-Rantissi bei einem Raketenangriff von einem israelischen Hubschrauber aus auf ein Auto in Gaza-Stadt getötet. Zwei Leibwächter kamen ebenfalls ums Leben. Die Hamas-Führung tauchte unter, und die Identität von Rantissis Nachfolger wurde geheim gehalten. Rantissi wurde getötet, kurz nachdem er nach der Ermordung von Scheich Ahmed Jassin die Führung der Hamas im Gazastreifen übernommen hatte.
Adnan Al-Ghul
Ghul galt als der Meister des Bombenbaus der Hamas. Er wurde am 21. Oktober 2004 bei einem israelischen Luftangriff auf Gaza-Stadt getötet. Ghul war die Nummer Zwei im militärischen Teil der Hamas, der Al-Kassam-Brigaden, und als "Vater der Kassam-Rakete" bekannt. Mit solchen improvisierten Raketen hat die Hamas häufig israelische Städte beschossen.
Nisar Rajjan

Als einer der radikalsten Geistlichen der Hamas war Nisar Rajjan eines der Top-Ziele Israels.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Rajjan war ein Geistlicher, der zu den radikalsten politischen Anführer der Hamas gehörte. Er hatte zu neuen Selbstmordattentaten in Israel aufgerufen. Rajjan wurde bei einem Angriff im Flüchtlingslager Dschabalja am 1. Januar 2009 getötet. Zwei seiner vier Frauen und sieben seiner Kinder kamen bei dem Anschlag ebenfalls ums Leben. Wenige Tage später, am 15. Januar, wurde der Innenminister der Hamas, Said Sejjam, im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff getötet. Sejjam war der Befehlshaber von 13.000 Polizisten und Sicherheitsleuten der Hamas. Sie hatte 2006 die Wahl im Gazastreifen gewonnen und nach kurzen Kämpfen mit der rivalisierenden Fatah ihre Macht in dem Küstengebiet gefestigt.
Saleh Al-Aruri
Der stellvertretende Hamas-Chef Aruri wurde bei einem israelischen Drohnenangriff auf Dahiyeh, einen Vorort im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut, am 2. Januar 2024 getötet. Aruri war auch der Gründer des militärischen Teils der Hamas, der Al-Kassam-Brigaden.
Ismail Hanija
Hanija war der politische Anführer der Hamas und schlug harte Töne an. Dennoch wurde er von vielen Diplomaten im Vergleich zu den Hardlinern der Hamas als gemäßigt angesehen. Er wurde 2017 an die Spitze der Hamas berufen und pendelte zwischen der Türkei und Katars Hauptstadt Doha. Dadurch entging er den Reisebeschränkungen für den abgeriegelten Gazastreifen und konnte als Unterhändler bei Waffenstillstandsgesprächen auftreten oder mit dem Hamas-Verbündeten Iran verhandeln.
Als Hanija 2012 von Reuters gefragt wurde, ob die Hamas den bewaffneten Kampf aufgegeben habe, antwortete er: "Natürlich nicht." Der Widerstand werde in allen Formen weitergehen - "dem Widerstand des Volkes, dem politischen, diplomatischen und militärischen Widerstand". Im Mai 2024 beantragte die Anklagevertretung des Internationalen Strafgerichtshofs Haftbefehle gegen drei Hamas-Führer, darunter Hanija, sowie gegen Netanjahu wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen.
Quelle: ntv.de, jog/rts