Streit mit Donald Trump Hawaii verteidigt sein Lebensgefühl
21.05.2017, 11:50 Uhr
Hawaii ist die Heimat von Ex-Präsident Barack Obama. Hier verbrachte er häufig seine Ferien (hier im Jahr 2008).
(Foto: AP)
Hawaii klagt gegen das Einreiseverbot, das US-Präsident Trump gegen sechs muslimische Länder verhängen wollte. Der Inselgruppe geht es darum, eine Haltung zu verteidigen, die allem widerspricht, für das Trumps Regierung steht.
Der US-Bundesstaat Hawaii liegt mehr als 3000 Kilometer vom amerikanischen Festland entfernt, doch trotz der großen Distanz könnte er zu einem der erbittertsten Widersacher von Präsident Donald Trump werden. Die aktuelle gerichtliche Auseinandersetzung zwischen der US-Regierung und dem jüngsten Bundesstaat der USA über das zweite Einreiseverbot des Präsidenten ist dabei nur ein Anfang.
"Für Hawaii geht es im aktuellen Gerichtsstreit nicht nur darum, den Präsidenten in die Schranken zu weisen. Es geht darum, ein Lebensgefühl zu verteidigen", sagt Michael Shapiro, Politologe an der Universität von Hawaii in Honolulu, im Gespräch mit n-tv.de.
Das Einreiseverbot, das Staatsangehörigen aus sechs vorwiegend muslimischen Ländern die Einreise in die USA für 90 Tage verboten hätte, wurde im März von einem Richter in Hawaii vorläufig außer Kraft gesetzt. Nachdem das US-Justizministerium Berufung gegen diese Entscheidung einlegte, beschäftigt sich im Moment das Bundesberufungsgericht in San Francisco mit dem Fall.
Richter Derrick Watson sagte in seiner Entscheidung vom 15. März, einen Tag vor dem offiziellen Inkrafttreten der Verordnung, dass ein "vernünftiger, objektiver Betrachter" auch das neue Dekret als Verordnung verstehen würde, die "im Gegensatz zur Behauptung der religiösen Neutralität eine spezielle religiöse Gruppe benachteiligt". Am 29. März bestätigte Watson seine Entscheidung und verlängerte damit die vorläufige Blockierung des Dekrets.
Trump war nach dem Urteil aus Hawaii erkennbar ungehalten. "Diese Entscheidung lässt uns schwach aussehen, was wir aber nicht mehr sind", kommentierte der Präsident den Richterspruch. Es war jedoch ein Kommentar von US-Justizminister Jeff Sessions, der für das größere Aufsehen sorgte. Dieser bezeichnete Hawaii in einem Interview im April abwertend als "Insel im Pazifik".
"Ich bin wirklich erstaunt, dass ein Richter, der auf einer Insel im Pazifik sitzt, eine Verordnung erlassen kann, die den Präsidenten der Vereinigten Staaten davon abhält, etwas zu tun, das augenscheinlich klar zu seinen gesetzlichen und verfassungsgebenden Rechten gehört", so Session in der konservativen Radiosendung "The Mark Levin Show".
"Zeigen Sie etwas Respekt"
Die beiden US-Senatoren aus Hawaii, Mazie Hirono und Brian Schatz, ließen diese Aussage nicht unkommentiert stehen. "Hawaii wurde durch die Kraft seiner Vielfalt und durch die Erfahrung von Einwanderern – zu denen auch ich zähle – geschaffen", schrieb Senatorin Hirono auf Twitter. "Jeff Sessions Aussagen sind ignorant und gefährlich".
Schatz, wie Hirono ebenfalls ein Demokrat, twitterte: "Herr Justizminister: Sie haben für diesen Richter (Derrick Watson) gestimmt. Und die Insel heißt Oahu. Sie ist meine Heimat. Zeigen Sie etwas Respekt."
Die Aussage von Sessions kommt nicht von ungefähr, meint Politikwissenschaftler Shapiro, denn für viele US-Bürger ist Hawaii nicht mehr als ein Urlaubsort mit Sonne, Strand und Meer. Zwar ist Tourismus eine der wichtigsten Industrien in Hawaii, jedoch ist der Staat auch ein Vorreiter in Sachen Umweltschutz. Hawaii hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 seine gesamte Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen.
"Sollte Trumps Regierung Umweltschutzbestimmungen lockern, dann wird Hawaii wieder an vorderster Front stehen, um dagegen vorzugehen", sagt Shapiro voraus. Das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung und in der Staatsregierung von Gouverneur David Ige beruht dabei wie so oft vor allem auf wirtschaftlichen Gründen. Durch die geografische Isolation ist Hawaiis Abhängigkeit von fossilen Energiequellen eine potenzielle Gefahr für die lokale Wirtschaft. Schon jetzt zahlen die Einwohner im Inselstaat mehr als dreimal so viel wie ihre Mitbürger auf dem Festland für Strom.
"Hawaii ist von Einwanderern geprägt"
Als aus Hawaii 1959 der 50. Bundesstaat der USA wurde, waren es die großen Zucker und Ananas produzierenden Konzerne, die die wirtschaftlichen und politischen Geschehnisse auf der Inselgruppe bestimmten. Einwanderer, vor allem aus dem asiatischen Raum, Japan, den Philippinen und China, kamen nach Hawaii, um auf diesen Plantagen zu arbeiten. Die Folgegenerationen dieser Einwanderer haben aktuell politisch das Sagen im Inselstaat.
"Diese Vergangenheit spielt auch beim aktuellen Vorgehen gegen das Einreiseverbot eine Rolle", erklärt Shapiro. "Hawaiis Geschichte ist geprägt von Einwanderern aus allen Ländern und Gesellschaftsschichten."
Hawaiis Generalstaatsanwalt Doug Chin, der Mann, der die rechtlichen Schritte gegen Trump und die US-Regierung einleitete, ist Sohn chinesischer Einwanderer. Das Argument für die Klage ist, dass das Einreiseverbot die Wirtschaft im Bundesstaat schädigen würde. Das US-Justizministerium widerspricht dieser Darstellung allerdings und sagt, dass nur 20 von insgesamt 530.000 Flüchtlingen, die seit 2010 in den USA aufgenommen wurden, sich in Hawaii niedergelassen hätten.
Für Shapiro geht es allerdings um eine Grundsatzfrage: "Sollte Trump den Prozess gewinnen, könnte dies ungeahnte Folgen für Hawaii und andere US-Staaten nach sich ziehen", sagt der Politologe. "Trump könnte sich in seiner Vorgehensweise bestätigt fühlen und versuchen, weitere Verordnungen auf diesem Weg zu erzwingen."
Der Professor denkt sogar, dass Hawaii es Kalifornien gleichtun könnte. Der US-Westküstenstaat engagierte den ehemaligen US-Generalstaatsanwalt Eric Holder, der den Staat in juristischen Fragen unterstützen soll – vor allem gegen etwaige Erlasse der US-Regierung.
"Verliert Trump vor Gericht und das Einreiseverbot bleibt außer Kraft, dann wird er ganz einfach zum nächsten Thema übergehen", ist sich Shapiro sicher. "Sich nicht auf ein Thema konzentrieren zu können, scheint sowieso eines seiner Probleme zu sein."
Quelle: ntv.de