968 Millionen Wahlberechtigte Indien startet sechswöchige Parlamentswahlen
19.04.2024, 10:44 Uhr Artikel anhören
Mit einer Wiederwahl würde der 73-jährige Modi eine dritte Amtszeit antreten.
(Foto: AP)
Eine Million Wahlbüros und fast eine Milliarde Wahlberechtigte - Indien beginnt seine sechswöchigen Parlamentswahlen. Wahlhelfer sind dabei teilweise mit Boot und Helikopter unterwegs, um Stimmen aus den entlegensten Orten einzuholen. Amtsinhaber Narendra Modi ist der eindeutige Favorit.
In Indien hat die Parlamentswahl begonnen. Sie ist für sechs Wochen angesetzt, wobei eine Wiederwahl des Hindu-Nationalisten Narendra Modi als nahezu sicher gilt. Bei Öffnung der Wahllokale bildeten sich an einigen Orten bereits lange Schlangen, etwa in der nordindischen Stadt Haridwar. Insgesamt sind 968 Millionen Menschen in dem südasiatischen Land aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Wahlhelfer besteigen ein Boot in Ostindien, um an entlegene Orte zu gelangen.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Zunächst begann die Stimmabgabe in 102 von insgesamt 543 Wahlbezirken, wie die Wahlkommission mitteilte. In der größten Demokratie der Welt gibt es 36 Bundesstaaten und föderal verwaltete Gebiete. Die Abstimmung erfolgt mit elektronischen Wahlmaschinen. Um auch den Menschen in abgelegenen Gebieten des riesigen Landes die Abstimmung zu ermöglichen, sind die Wahlbeamten zum Teil zu Fuß, mit Hubschraubern und Booten unterwegs.
Dritte Amtszeit von Modi wahrscheinlich
Am erneuten Wahlsieg der regierenden hindu-nationalistischen Partei BJP gibt es kaum Zweifel. Damit könnte Regierungschef Modi eine dritte Amtszeit antreten. Der 73-Jährige ist auch nach einem Jahrzehnt an der Macht populär. Indien stieg unter ihm zur fünftgrößten Wirtschaftsmacht auf, was Investoren anlockt. In den vergangenen Jahren investierte er stark in moderne Infrastruktur wie Straßen, Schnellzüge und Flughäfen.
Die Opposition beklagt jedoch, dass das Wachstum nicht gleich verteilt sei. Reiche würden begünstigt, während die Arbeitslosigkeit hoch und die Korruption verbreitet sei, heißt es. Hinzu kommt die Inflation. Kritiker werfen Modi zudem vor, Behörden gezielt gegen die Opposition einzusetzen. Vor der Wahl wurden mehrere Oppositionsführer, unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen, festgenommen.
Modi profitiert nach Ansicht von Beobachtern zudem davon, dass die Opposition schwach und zersplittert ist. "Die indische Opposition ist seit nunmehr einem Jahrzehnt mit sich selbst beschäftigt und hat keine Strategie für diese Wahl", sagt Elias Marini Schäfer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Neu-Delhi.
Opposition: Modi hat Macht zentralisiert
Als Modis größter Herausforderer gilt Rahul Gandhi von der Kongresspartei, die seit der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien im Jahr 1947 die meiste Zeit regiert hatte - bis sie Modi mit seiner BJP 2014 von der Macht verdrängte. Seither ist Indiens Gewicht auf der Weltbühne deutlich gestiegen. Westliche Staaten beabsichtigen angesichts eines immer aggressiver auftretenden Chinas enger mit ihm zusammenzuarbeiten.
Modi habe die Macht in seinem Amt zentralisiert, die Unabhängigkeit öffentlicher Institutionen wie der Justiz und der Medien des Landes untergraben, einen Personenkult um sich selbst aufgebaut und die ideologischen Ziele seiner Partei mit rücksichtsloser Effizienz verfolgt, schrieb die Zeitschrift "Foreign Affairs" im Vorfeld der Wahl. "Es gibt keine Demokratie mehr in Indien", kommentierte kürzlich auch Kongress-Anführer Rahul Gandhi.
Seine Anhänger überzeugt Modi dagegen mit der Vision, den Subkontinent zu einer reichen und weltweit geschätzten Nation zu machen, in der der Hinduismus im Zentrum der nationalen Identität steht. Kritiker beklagen, dass religiöse Minderheiten zunehmend zu Bürgern zweiter Klasse werden. Oppositionsführer Gandhi befürchtet: "Sie möchten den demokratischen Prozess abschaffen, damit sie alle anderen Ideen vernichten können." Zu diesem Zweck verfolge Modis Partei eine Änderung der Verfassung. Dazu wäre aber eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig - was aber laut Beobachtern schwierig sein dürfte.
Stimmzettel an einem Tag ausgewertet
Zum Auftakt der Wahl forderte Modi "alle Wähler" im Onlinedienst X auf, "ihr Wahlrecht in Rekordhöhe" auszuüben. "Jede Stimme zählt", schrieb der Premierminister. Die oppositionelle Kongresspartei rief ihre Anhänger auf, "Hass und Ungerechtigkeit" zu beenden. "Ihre eine Stimme kann der Inflation, der Arbeitslosigkeit, dem Hass und der Ungerechtigkeit ein Ende setzen", erklärte die Partei auf X.
Die Stimmabgabe erfolgt gestaffelt in sieben Phasen zwischen dem 19. April und dem 1. Juni in mehr als einer Million Wahllokalen in ganz Indien. Die Stimmzettel werden am 4. Juni ausgezählt und das Ergebnis in der Regel noch am selben Tag bekannt gegeben.
Quelle: ntv.de, gri/AFP/dpa