Experten fürchten Zermürbung Israel meldet Vorstoß ins "Zentrum der Stadt Gaza"
07.11.2023, 20:34 Uhr Artikel anhörenEine Feuerpause ohne vorherige Freilassung der Hamas-Geiseln lehnt Israels Präsident Netanjahu ab. Seine Armee rückt derweil im Gazastreifen vor. Das Militär meldet, das Zentrum von Gaza-Stadt erreicht zu haben. Militärexperten fürchten, dass zermürbende Gefechte folgen.
Einen Monat nach der beispiellosen Attacke der radikalislamischen Hamas auf Israel ist die israelische Armee nach eigenen Angaben ins Zentrum der Stadt Gaza vorgestoßen. "Wir sind im Herzen der Stadt Gaza", sagte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant. Die Stadt Gaza sei "der größte je errichtete Terroristen-Stützpunkt der Welt", sagte Gallant. Die Stadt im Norden des Gazastreifens war nach Angaben des israelischen Militärs zuvor umstellt worden. Ein Sprecher erklärte kürzlich, das Küstengebiet sei nun in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt.
Bei jüngsten Gefechten konnte nach Angaben der israelischen Armee ein "militärischer Stützpunkt der Hamas-Terrororganisation im nördlichen Gazastreifen gesichert werden". Auf dem Gelände befanden sich demnach Panzerabwehrraketen und Abschussvorrichtungen, Waffen und verschiedene Geheimdienstmaterialien.
Militärexperten warnten derweil vor wochenlangen, zermürbenden Häuserkämpfen im Gazastreifen. Nach Einschätzung von Michael Knights von der Denkfabrik "Washington-Institut für Nahost-Politik" hatte die Hamas "15 Jahre Zeit", um ihre "unterirdischen, bodennahen und oberirdischen Befestigungen" auszubauen. Insbesondere wegen der mutmaßlich in Hamas-Tunneln festgehaltenen Geiseln, darunter Kleinkinder und ältere Menschen, wird das Vorgehen der israelischen Armee als riskant angesehen.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu schloss indes eine Feuerpause ohne eine vorherige Freilassung der mehr als 240 Hamas-Geiseln aus. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC News sagte er, der Krieg werde so lange fortgesetzt, bis Israel die Kontrolle über den Gazastreifen wiederhergestellt habe und die "allgemeine Sicherheit" gewährleistet sei. Für von den USA geforderte "kleine Pausen" für Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung zeigte er sich jedoch offen.
"Monat des Massakers, des unaufhörlichen Leides, des Blutvergießens"
Unterdessen verschärft sich das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk sprach während einer Reise in die Region von einem "Monat des Massakers, des unaufhörlichen Leides, des Blutvergießens, der Zerstörung, Empörung und Verzweiflung". Am Dienstag hielt sich Türk zu Gesprächen in Ägypten auf, am Mittwoch will er den ägyptischen Grenzübergang Rafah besuchen, am Donnerstag Jordanien.
Derweil wurde landesweit in Israel der etwa 1400 Toten und mehr als 240 von der Hamas in den Gazastreifen Verschleppten gedacht. Während der Krieg gegen die Islamisten andauerte, hielt Israel um 11 Uhr (Ortszeit) inne. "Die Gräueltaten haben einen schrecklichen Einschnitt hinterlassen", sagte der Präsident der Hebräischen Universität in Jerusalem, Ascher Cohen, bei einer Trauerzeremonie. "Aber es gibt Hoffnung. Es wird eine Wiedergeburt geben."
Es gebe "keinen einzigen Menschen, der nicht von diesen schrecklichen Angriffen betroffen" sei, sagte die 52-jährige Sharon Balaban bei einer Gedenkveranstaltung in Jerusalem. "Jeder kennt jemanden, der verletzt, getötet, ermordet wurde oder betroffen ist." Der um seine beiden Brüder trauernde Jossi Rivlin sagte, er hoffe, dass die Menschen die Toten und Verschleppten "nicht vergessen" und nicht einfach zur Tagesordnung übergingen.
Quelle: ntv.de, tsi/AFP