Politik

Massaker in Dschabalia? Israels Armee erreicht Gaza-Stadt: "Höhepunkt der Schlacht"

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Die israelischen Truppen haben nach Angaben von Ministerpräsident Netanjahu bei ihrem Vormarsch auf Gaza-Stadt die Außenbezirke erreicht. Dabei stößt das Militär auf erbitterten Widerstand der Hamas-Kämpfer. In Gaza-Stadt hat die radikalislamische Organisation ihren Sitz.

Die israelischen Truppen haben in ihrer Gegenoffensive für das Massaker der Hamas am 7. Oktober nach Angaben von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Gaza-Stadt erreicht. "Wir befinden uns auf dem Höhepunkt der Schlacht", ließ Netanjahu durch sein Büro erklären. "Wir haben beeindruckende Erfolge erzielt und sind über die Außenbezirke von Gaza-Stadt hinausgekommen. Wir sind auf dem Vormarsch." In Gaza-Stadt hat die radikalislamische Hamas ihren Sitz. Bei ihrem Vormarsch stießen die israelischen Soldaten laut Augenzeugen auf erbitterten Widerstand von Hamas-Kämpfern.

Die Hamas hat ihre Infrastruktur in Gaza vor allem in einem weitläufigen Tunnelsystem organisiert, das das israelische Militär besonders im Visier hat. Kämpfer der Hamas und des Islamischen Dschihads kamen nach Berichten von Augenzeugen immer wieder aus Tunneln ans Tageslicht, um israelische Truppen unter Beschuss zu nehmen. Anschließend verschwanden sie wieder unter der Erde, wie auch auf Videomaterial der beiden extremistischen Gruppen zu sehen ist. Unabhängig überprüfen konnte Reuters die Informationen nicht. Die Guerilla-Taktik der Extremisten ist nach Einschätzung von Experten aber das einzige Mittel, um der militärisch weit überlegenen israelischen Armee etwas entgegensetzen zu können.

"Hamas hat gelernt und sich gut vorbereitet"

Anwohner berichteten, das Gebiet von Gaza-Stadt sei die ganze Nacht über mit Mörsergranaten beschossen worden. Israelische Panzer und Bulldozer seien dabei, immer weiter vorzudringen. Brigadegeneral Iddo Mizrahi sagte im Armee-Radio, die israelischen Truppen seien in einem ersten Schritt dabei, den Zugang zu Gaza zu sichern. Das Gelände sei allerdings teilweise vermint und mit Sprengfallen gesichert. "Hamas hat gelernt und sich gut vorbereitet", sagte er.

Israel versucht gleichzeitig, die Führungsriege der Hamas auszuschalten. Dabei war am Vortag das dicht besiedelte Gebiet von Dschabalia ein zweites Mal angegriffen worden. Nach israelischen Angaben wurden zwei Hamas-Kommandeure getötet. "Es ist ein Massaker", sagte ein Augenzeuge des Angriffs. Nach Hamas-Angaben wurden bei beiden Angriffen mindestens 195 Palästinenser getötet, 120 weitere würden noch vermisst, mindestens 777 Menschen seien verletzt worden. Auch für diese Zahlen gibt es keine unabhängigen Belege. Am Dienstag waren bei einem ersten Luftangriff auf Dschabalia nach palästinensischen Angaben rund 50 Menschen gestorben. In dem Camp im Norden des Gazastreifens leben vertriebene Familien aus Kriegen der Palästinenser mit Israel, die bis ins Jahr 1948 zurückreichen.

Kriegsembargo könnte gelockert werden

Angesichts der immer schlimmer werdenden humanitären Lage im Gazastreifen hat Israels Armee Bereitschaft für eine Lockerung des Kriegsembargos signalisiert - unter bestimmten Bedingungen. Krankenhäuser, denen der Treibstoff für Notstromaggregate ausgehe, könnten unter Aufsicht beliefert werden, sagte Generalstabschef Hersi Halewi im israelischen Fernsehen auf eine Reporter-Frage. Bis jetzt sei der Treibstoff aber noch nicht ausgegangen. "Wir werden alles Notwendige tun, um sicherzustellen, dass der Treibstoff nicht in die Infrastrukturen der Hamas gelangt und dass er nicht für Kriegszwecke, sondern für die wirklichen Bedürfnisse der Krankenbehandlung verwendet wird", sagt Halewi.

Ein leitender Kinderarzt im Gazastreifen warnt angesichts des Kriegsembargos, dass die Krankenhäuser bald zu "Friedhöfen" werden. Hussam Abu Safija vom Kamal-Adwan-Krankenhaus sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag: "Wir tun unser Möglichstes, aber wir brauchen bessere medizinische Versorgung, sonst werden unsere Krankenhäuser zu Friedhöfen." Ärzte müssten primitive Mittel zur Versorgung der Patienten nutzen. "Einige Operationen werden ohne Anästhesie durchgeführt", sagte er. "Um die Wunden von verletzten Kindern zu säubern, musste ich mit Wasser vermischtes Chlor verwenden." Das Krankenhaus habe keine Schmerzmittel und Antibiotika mehr. Operationen würden mit Handylichtern durchgeführt.

Noch über 100 Deutsche im Gazastreifen

Am Grenzübergang Rafah nach Ägypten warteten derweil weitere ausländische Staatsbürger und Verletzte auf ihre Ausreise. Nach Angaben der palästinensischen Grenzbehörden sollten 400 Ausländer sowie 60 schwer verletzte Palästinenser ausreisen können. Am Vortag war der Grenzübergang erstmals geöffnet worden, mindestens 320 Menschen hatten ausreisen können. Nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt konnte bislang eine niedrige einstellige Zahl deutscher Staatsbürger aus dem Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah ausreisen. Eine niedrige dreistellige Zahl registrierter deutscher Staatsbürger befinde sich derzeit noch im Gazastreifen, hieß es aus dem Ministerium weiter.

Um Verletzte aus dem Gazastreifen behandeln zu können, bat die israelische Regierung Deutschland und andere Länder um Lazarettschiffe. Diese sollten in Ägypten anlegen und dort verletzte Palästinenser aufnehmen, sagte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, dem israelischen Radiosender Kan.

Quelle: ntv.de, tno/rts/dpa

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