Chinesischer Minister vermisst Ist Qin Gang Opfer einer politischen Säuberungsaktion?
26.07.2023, 16:04 Uhr Artikel anhören
In Washington galt Qin Gang als "Wolfskrieger" - ein Spitzname für chinesische Diplomaten, die die Position ihres Heimatlandes besonders vehement vertreten.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Seit einem Monat zeigt sich der chinesische Außenminister nicht mehr in der Öffentlichkeit. Dann wird Qin Gang überraschend seines Amtes enthoben - taucht aber immer noch nicht auf. Peking schweigt weiterhin zu dem hochrangigen Politiker. Analysten befürchten böse Absichten.
Einen Tag nach der überraschenden Ablösung des bisherigen Außenministers Qin Gang schweigt die Führung weiter zu den Gründen. "Ich habe keine zusätzlichen Informationen", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums auf Nachfragen zu Qin. Auf der Website des Ministeriums waren derweil alle Erwähnungen des bisherigen Außenministers gelöscht. Sein Name war allerdings noch auf anderen Regierungswebsites zu finden.
"Es gibt Hinweise darauf, dass es sich um eine politische Säuberungsaktion handelt", schrieb der China-Experte Neil Thomas von der US-Denkfabrik Asia Society Policy Institute bei Twitter. "Wenn er noch ein beliebter Kamerad wäre, der lediglich krank geworden sei, dann wäre das nicht so abgelaufen", schrieb seinerseits der China-Experte Bill Bishop in einem Newsletter.
In Online-Netzwerken wurde über die Gründe für Qins Absetzung viel spekuliert. Vielleicht sei er bei Staatschef Xi Jinping in Ungnade gefallen, möglicherweise wegen einer unehelichen Affäre mit einer Fernsehmoderatorin eines Hongkonger Senders. Deswegen könnte eine offizielle Untersuchung gegen den 57-Jährigen eingeleitet worden sein, wurde weiter gemutmaßt. "Die ganze Situation lässt das chinesische Außenministerium und Pekings diplomatische Bemühungen schwächer erscheinen als Peking es gerne hätte", sagte der China-Experte Moritz Rudolf von der US-Universität Yale der Nachrichtenagentur AFP.
Das Herrschaftssystem von Chinas Kommunistischer Partei sei "so undurchsichtig, dass es die Gerüchte genährt hat", sagte Rudolf. Richard McGregor vom Lowy Institute nannte die mangelnde Kommunikation über Qins Ablösung als gutes "Beispiel für die völlige Intransparenz der chinesischen Elitepolitik".
Wang Yi übernimmt seinen alten Posten
Chinas Präsident Xi Jinping hatte den seit Wochen aus der Öffentlichkeit verschwundenen Außenminister am gestrigen Dienstag ausgetauscht. Qins Vorgänger Wang Yi habe das Amt erneut übernommen, berichteten chinesische Staatsmedien. Qin galt lange Zeit als Vertrauter des Präsidenten und hatte eine rasante diplomatische Karriere hinter sich. Der 57-Jährige war erst im vergangenen Dezember zum Außenminister ernannt worden.
Qin war zuletzt am 25. Juni bei einem Treffen mit dem russischen Vize-Außenminister Andrej Rudenko in der Öffentlichkeit gesehen worden. Seine Abwesenheit beim ASEAN-Gipfel in Indonesien Mitte Juli hatte Gerüchte ausgelöst. Auch eine geplante China-Reise des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell war überraschend abgesagt worden.
Qin, der fließend Englisch spricht, war unter anderem chinesischer Botschafter in den USA. In Washington galt er als "Wolfskrieger" - ein Spitzname für chinesische Diplomaten, die die Position ihres Heimatlandes besonders vehement vertreten.
Quelle: ntv.de, cls/AFP