Politik

Blitzprüfung der Corona-Hilfen Kann der Bundestag das noch kontrollieren?

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Finanzminister Olaf Scholz und sein "Koste es, was es wolle"-Gesetzespaket. Normalerweise klingeln bei den Haushaltsprüfern bei solchen Projekten alle Alarmglocken.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Bundesregierung bringt in der Corona-Krise Hunderte Milliarden Euro auf den Weg, will die Schuldenbremse aufheben und sich an Unternehmen beteiligen. Nur, wo bleibt da der Bundestag? Die Abgeordneten wollen mitreden, ohne dabei wie ein Bremsklotz zu wirken - mit unterschiedlichem Erfolg.

In Zeiten der Corona-Krise mutiert der Bundestag zum Smartphone-Parlament. Und das liegt nicht nur am allseits praktizierten Distanzhalten zur Vermeidung neuer Corona-Ansteckungen, sondern vor allem an der packevollen Agenda der Abgeordneten. Seit Tagen hängen deshalb viele von ihnen permanent in Telefonkonferenzen. Am Mittwoch will der Bundestag Historisches im Eilverfahren beschließen: Die Bundesregierung hat Hilfsmaßnahmen im Volumen von bis zu 750 Milliarden Euro beschlossen. Sie will unter anderem die Schuldenbremse aussetzen und strauchelnden Konzernen notfalls auch mit Staatsbeteiligungen unter die Arme greifen.

Der Bundestag steht dabei vor einem schwierigen Spagat: Er soll seiner Aufgabe als Kontrolleur der Bundesregierung nachkommen, ohne wie ein Bremsklotz zu wirken, wenn schnelles Handeln gefragt ist. Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil haben in Rekordzeit Gesetzpakete schnüren lassen und der Öffentlichkeit vorgestellt. Ihre Botschaft: Wir helfen Unternehmen ohne Einnahmen und Bürgerinnen und Bürgern ohne Einkommen - koste es, was es wolle.

"Koste es, was es wolle"-Versprechen lassen bei den Haushältern im Bundestag normalerweise die Alarmglocken schellen. Doch die Bundesrepublik steht am Beginn ihrer wohl schwersten Krise. Bund und Länder kämpfen an zwei Fronten - gegen die Coronavirus-Pandemie und gegen die wirtschaftlichen Folgen.

Alle gemeinsam gegen die Schuldenbremse

Entsprechend bemühen sich die Fraktionen im Bundestag um eine kooperative Haltung. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt etwa lobt im Gespräch mit AFP die "sehr enge Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Fraktionen und der Bundesregierung". Ihre Partei will der Aufhebung der Schuldenbremse genauso zustimmen wie FDP und Linke.

Wenn Scholz am morgigen Mittwoch seine Vorhaben in der nichtöffentlichen Sitzung des Haushaltsausschusses vorstellt, gibt es dennoch Gesprächsbedarf. Der Bund muss nämlich zur Aussetzung der Schuldenbremse einen Tilgungsplan vorlegen. Die Bundesregierung will die Neuverschuldung über 156 Milliarden Euro binnen 20 Jahren abstottern. Die Linke dagegen fordert, die Tilgung nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen über einen Zeitraum von 50 Jahren zu strecken. Das sei eine "vernünftige Regelung", sagt Gesine Lötzsch, Obfrau der Linken im Haushaltsausschuss, zu ntv.de. Die Grünen fordern ebenfalls einen längeren Tilgungszeitraum.

Auch zur geplanten Beteiligung an Unternehmen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds hat Lötzsch noch Fragen: "Bisher sieht das Gesetz zur Stabilisierung der Wirtschaft nur eine parlamentarische Unterrichtung vor, aber keine parlamentarische Kontrolle." Zudem seien die Konditionen einer Staatsbeteiligung ungeklärt. "Wenn der Staat sich beteiligt und nach der Krise wieder aussteigt, darf das nicht zulasten der öffentlichen Hand gehen", sagt Lötzsch.

Kaum Zeit zur Debatte

Die Frage der Unternehmensbeteiligungen ist auch für die mitregierenden Sozialdemokraten heikel. "Wir haben als SPD-Fraktion angesprochen, dass wir nicht in Unternehmen reingehen können, wenn da weiter Spitzengehälter, Boni und Dividenden gezahlt werden, die der Öffentlichkeit nicht vermittelbar sind", sagt der SPD-Abgeordnete Johannes Schraps, der dem Finanzausschuss sowie als Stellvertreter dem Haushaltsausschuss angehört, zu ntv.de.

Viel Raum zur Debatte bleibt den Abgeordneten nicht. Schon am Freitag sollen die am Montag vom Bundeskabinett verabschiedeten Maßnahmen durch den Bundesrat. Auf viele Änderungen wie dem erleichterten Zugang zur Grundsicherung für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer ohne Prüfung von Vermögen und Wohnraum sind viele Menschen, denen schlagartig alle Aufträge weggebrochen sind, dringend angewiesen.

Dennoch führt an einer gründlichen Prüfung der Gesetzesvorhaben kein Weg vorbei, betont Lötzsch und kritisiert eine "sehr, sehr marginale Einbindung" durch die Bundesministerien. "Es ist für uns als Opposition schwierig, auf dem Laufenden zu bleiben", sagt Lötzsch. "Wenn wir den Eindruck erwecken, das Parlament sei in der Krise überflüssig, senden wir ein ganz schlechtes Signal."

Von "durchwinken" keine Rede

Als Olaf Scholz am Montag stolz mit einem Stapel Papier voller Gesetzestexte in die Kameras winkte, war das für viele Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter der Startschuss in eine besonders arbeitsintensive Zeit. "Unsere Teams sitzen mit Hochdruck daran, die Vorlagen durchzuarbeiten und die Knackpunkte herauszufiltern", sagt Lötzsch.

Die Regierungsfraktionen von Union und SPD waren da klar im Vorteil: Sie seien in den vergangenen Tagen regelmäßig informiert und befragt worden, sagt Schraps. In zahlreichen Telefonkonferenzen der Arbeitsgemeinschaften der SPD-Fraktion seien Staatssekretäre der beteiligten Ministerien zugeschaltet gewesen. "Da wurden die Vertreter der Ministerien bis ins Detail befragt und auch Forderungen aus der Fraktion aufgegriffen."

Allerdings muss auch Schraps einräumen, dass eine Tiefenprüfung aller Vorhaben in der Kürze der Zeit schwierig ist: "Man muss da auch über kleine Fehler hinwegsehen können, da ist jetzt der gesunde Menschenverstand gefragt." Von "durchwinken" könne dennoch keine Rede sein, betont Schraps: "Wir nehmen unsere Aufsichtsfunktion wahr."

Quelle: ntv.de

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