Abschaffung der Zeitumstellung "Kann schon im Mai beschlossen sein"
31.08.2018, 19:35 Uhr
Ein Uhrentechniker kontrolliert die Mechanik der Kirchturmuhr der Dresdner Lukaskirche.
(Foto: picture alliance/dpa)
In einer Online-Umfrage spricht sich die Mehrheit der teilnehmenden EU-Bürger für die Abschaffung der Zeitumstellung aus. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verspricht, sich für das Vorhaben einzusetzen. Im Gespräch mit n-tv.de erklärt Peter Liese, dass die Abschaffung noch vor der Europawahl im Mai 2019 gelingen kann. Der Europaabgeordnete der CDU ist ein langjähriger Gegner der Zeitumstellung.
n-tv.de: Mit großer Mehrheit haben sich die EU-Bürger, die an einer Online-Umfrage teilgenommen haben, für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Kommissionspräsident Juncker hat seine Unterstützung zugesichert. Wie ist der weitere Ablauf?

Peter Liese ist gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament.
(Foto: peter-liese.de)
Peter Liese: Die EU-Kommission wird in den kommenden Wochen einen Vorschlag machen. Der geht anschließend ins EU-Parlament und zeitgleich in den Ministerrat, wo die Vertreter der nationalen Regierung sitzen. Das EU-Parlament wird den Vorschlag sicherlich annehmen. Ob der Ministerrat das Vorhaben auch unterstützt, das kann ich nicht sagen. Stimmen die Nationalstaaten ebenfalls zu und beeilen wir uns, könnte die Abschaffung schon vor der Europawahl im kommenden Mai beschlossen sein.
Wann würde die Abschaffung konkret umgesetzt?
Das ginge erst im Jahr darauf. Im Mai sind die Uhren ja schon wieder auf die Sommerzeit umgestellt. Das heißt, die Uhren würden entweder im März 2020 nicht mehr umgestellt oder später im Oktober nicht mehr zurückgestellt.
Wie genau wird der Vorschlag der EU-Kommission aussehen?
Für die Abschaffung der Zeitumstellung gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird die ganze EU-Richtlinie aufgehoben. Dann kann jedes Land für sich entscheiden, ob es die Zeitumstellung beibehält oder nicht und welche Zeit es einführt. Die wahrscheinliche Variante ist aber, dass die Kommission vorschlägt, diese Richtlinie zu ändern. Aktuell steht dort, dass die Uhren Ende März und Ende Oktober umgestellt werden. Nach der Änderung würde darin stehen, dass die Uhren nicht mehr umgestellt werden. Dann kann jedes Land entscheiden, ob es dauerhaft die Mitteleuropäische Normalzeit oder die Mitteleuropäische Sommerzeit nimmt.
Bei der Umfrage haben 4,6 Millionen Menschen abgestimmt, etwa 3 Millionen davon aus Deutschland. Ist die Zeitumstellung ein Thema, das vor allem in Deutschland für Aufregung sorgt?
Die hohe Teilnahme in Deutschland hat mich auch überrascht, aber wir müssen auch die 1,6 Millionen Stimmen aus den anderen Ländern richtig bewerten. Bisher haben sich an Onlineumfragen der EU maximal 500.000 Menschen beteiligt. Auch, als es um Dinge wie TTIP (das Handelsabkommen der EU mit den USA, d. Red.) oder Tierschutzfragen ging, die viele bewegen. Damit sind 1,6 Millionen Menschen aus anderen Ländern immer noch dreimal so viele, wie jemals eine Onlineumfrage ausgefüllt haben. Auch ohne Deutschland wäre es also ein Rekord gewesen. Es ist also keineswegs so, dass das Thema Menschen in anderen Ländern nicht interessiert.
Wie kommt es zu dieser hohen deutschen Beteiligung?
Das liegt wahrscheinlich daran, dass es in Deutschland organisierte Gruppen gibt, die die Menschen zur Teilnahme an der Umfrage aufgerufen haben. Die Medien haben in Deutschland vielleicht auch intensiver berichtet.
In Deutschland ist die Lage eindeutig: Eine großer Teil der Bevölkerung unterstützt die Abschaffung der Zeitumstellung. Wenn wir die deutschen Stimmen aus der EU-Umfrage herausrechnen, gibt es dann immer noch eine Mehrheit?
Die Ablehnung war in fast allen Ländern überwältigend. In Finnland, Polen, Spanien, Litauen, Ungarn und Kroatien haben jeweils mehr als 90 Prozent der Menschen gegen die Zeitumstellung gestimmt. In der Mehrheit waren die Befürworter nur in Griechenland und Zypern. Das Ergebnis wäre auch ohne deutschen Stimmen also nicht anders ausgefallen.
Führt das nicht zu Verwirrung, wenn ein Land die Sommerzeit wählt und eines die Winterzeit?
Wir haben in Europa ja schon unterschiedliche Zeitzonen. Spanien hat eine andere Zeit als Portugal, Finnland eine andere als Schweden. Da wäre es kein Beinbruch, wenn Deutschland eine andere Zeit als Frankreich hätte. Innerhalb Spaniens haben wir sogar unterschiedliche Uhrzeiten, wenn wir vom Festland auf die Kanaren fliegen. In den USA und Russland ist es ganz selbstverständlich, dass es innerhalb eines Landes verschiedene Zeitzonen gibt.
Was spricht eigentlich gegen die Zeitumstellung?
Es gibt Untersuchungen, die nahelegen, die Zeitumstellung verursache gesundheitliche Probleme wie Herzinfarkte zum Beispiel. Und selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Untersuchungen nicht zu einhundert Prozent sicher sind, weil es in der Wissenschaft nämlich auch andere Meinungen gibt, fühlen sich die Menschen einfach nicht wohl mit der Zeitumstellung. Andere Abgeordnete und ich, wir bekommen viel Post von Bürgern, die sagen: "Wir leiden darunter." Und wenn etwas Probleme bereitet, dann darf die EU nicht vorschreiben, dass wir es trotzdem machen müssen. Zumal die Zeitumstellung auch keinen Nutzen hat. Wir wollen damit Energie einsparen und das hat wahrscheinlich nie funktioniert.
Angenommen, alles läuft wie geplant und die Zeitumstellung wird im Mai abgeschafft: Welche Zeit sollte Deutschland beibehalten, Sommer- oder Winterzeit?
Ich weiß, dass viele Menschen die Sommerzeit bevorzugen, weil es natürlich schön ist, wenn es abends länger hell ist. Aber ich habe mit Forschern gesprochen, die sagen, es sei speziell für Kinder wichtig, morgens ein bisschen Tageslicht abzukommen, bevor sie in die Schule gehen. Und wenn wir ganzjährig die Sommerzeit hätten, gäbe es im Winter etwa fünf Monate, in denen die Kinder im Dunkeln in die Schule gehen müssten. Das Argument beeindruckt mich doch sehr und spricht eigentlich für die dauerhafte Winterzeit. Aber ich bin mir ehrlich gesagt unsicher und hoffe, dass wir vor der Festlegung noch mehr Erkenntnisse bekommen. Deswegen fände ich es gut, wenn nicht die EU die Entscheidung trifft, sondern wir in Deutschland in Ruhe diskutieren und dann der Bundestag entscheidet.
Mit Peter Liese sprach Christian Herrmann
Quelle: ntv.de