Personalbeben nach Wahldebakel Klingbeil übernimmt SPD-Fraktionsvorsitz, Mützenich tritt ab


Lars Klingbeil soll die SPD-Fraktion anführen, Rolf Mützenich (v.l.) tritt ab.
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Die historische Wahlniederlage der SPD hat erste personelle Konsequenzen. In einem Brief an die Fraktion kündigt Rolf Mützenich seinen Rücktritt vom Vorsitz an. Für ihn soll SPD-Chef Klingbeil übernehmen.
Das ging schnell: Keine sechs Stunden nach den ersten Prognosen zum Bundestagswahlergebnis zieht die SPD erste personelle Konsequenzen. In einem Brief an seine Fraktion kündigt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich seinen Rücktritt an. "Wir müssen anerkennen, dass eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler uns nicht mehr das Vertrauen aussprechen wollte. Nach großen Anstrengungen in harten Zeiten schmerzt diese Erkenntnis zutiefst", erklärt Mützenich darin. "Heute sind wir in der Parteiführung zu dem Schluss gekommen, dass es gut ist, wenn Jüngere den Karren weiterziehen und die Kräfte gebündelt werden." Die Parteiführung schlage daher einstimmig SPD-Chef Lars Klingbeil als seinen Nachfolger vor.
Über den Personalwechsel müsse am Montag der amtierende Fraktionsvorstand entscheiden und den Kandidaten am Mittwoch der neuen Fraktion vorschlagen. Damit ist Mützenich, der seine Fraktion sechs Jahre anführte, der Erste, der Konsequenzen aus dem historisch schlechten Wahlergebnis von etwas über 16 Prozent zieht. Zudem hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, sich sowohl aus den Gesprächen über eine neue Regierungsbildung herauszuhalten als auch für ein Ministeramt nicht zur Verfügung zu stehen.
Kurz nach der Bekanntgabe der Hochrechnungen hatten sich Scholz, Klingbeil und Co-Parteichefin Saskia Esken an Partei und Öffentlichkeit gewandt. "Dieses Ergebnis ist eine Zäsur", sagte Klingbeil. Er kündigte "Umbrüche" in der Partei an. "Der Generationenwechsel in der SPD muss eingeleitet werden." Auch programmatisch müsse sich die SPD neu aufstellen. Der Brief von Mützenich war offenbar vorbereitet. Die SPD wurde vom schlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschichte nicht überrascht: Seit Monaten kam sie in Umfragen nicht vom Fleck.
Der 65 Jahre alte Mützenich ist seit 2002 Mitglied des Bundestags, wo er den Wahlkreis Köln III vertritt. Wegen seiner betont höflichen Umgangsformen genießt der leidenschaftliche Radfahrer hohes Ansehen weit über die eigene Fraktion hinaus. Seine Haltungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine, die er stets mit gewisser Skepsis betrachtete, stand aber auch in Teilen der eigenen Partei in der Kritik.
Mit dem 47-jährigen Parteichef Klingbeil übernimmt nun ein Vertreter der nächsten Generation in der Fraktion. Das muss aber nicht das letzte Wort sein für die nun beginnende Legislaturperiode. Klingbeil wird auch als möglicher Minister in der kommenden Bundesregierung gehandelt. Mit der Entscheidung für den Fraktionsvorsitz untermauert Klingbeil seinen Anspruch, den Umbruch in der SPD und die Gespräche über eine künftige Regierung anzuführen.
Klingbeil sagte in der ARD, mit diesem Schritt sollten Partei- und Fraktionsvorsitz künftig "in einer Hand liegen". Er feierte am Wahltag seinen Geburtstag, der aber kein fröhlicher war. Der Partei stehen schwierige Wochen bevor. Aus staatspolitischer Verantwortung könnte sie sich gezwungen sehen, in ein Regierungsbündnis mit CDU und CSU einzuwilligen. Doch gerade aus Sicht des linken Parteiflügels geht programmatisch mit der Union nicht viel zusammen. Ein etwaiger Koalitionsvertrag müsste der SPD-Basis zur Abstimmung vorgelegt werden.
Quelle: ntv.de