Talk bei Maischberger Könnte eine Teilung der Ukraine den Krieg beenden?
22.02.2024, 05:48 Uhr Artikel anhören
Ein Teil der Ukraine sollte der NATO beitreten: Die US-Historikerin Sarotte (l) diskutiert mit der Politikwissenschaftlerin Major.
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Eine Teilung der Ukraine könnte den Krieg beenden. Das meint die Historikerin Mary Sarotte. In der ARD-Talkshow "Maischberger" diskutiert sie über die Fallstricke dieser Idee mit der Militärexpertin Claudia Major.
Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon fast zwei Jahre. Am 24. Februar 2022 griff die russische Armee auf Befehl von Russlands Präsident Wladimir Putin das Land an. Das Ziel: Besetzung der Ukraine, Sturz der Regierung innerhalb von ungefähr zwei Tagen. Das Land sollte verschwinden. Fakt ist: Russland hat auf ganzer Linie versagt. Die Ukraine existiert, ihre Regierung auch. Seit zwei Jahren tobt der Krieg in diesem Land, die Infrastruktur ist zerstört, tausende Menschen sind auf beiden Seiten gestorben.
Die Ukraine müsse den Krieg gewinnen, fordern deutsche Politiker. Doch dieses Ziel scheint in weite Ferne gerückt. Das sagt die Politikwissenschaftlerin Claudia Major, die am Abend Gast in der ARD-Talkshow "Maischberger" ist. Den ukrainischen Streitkräften fehle es an Material, Ausrüstung, Soldaten und an Geld. "Sie werden wahrscheinlich in diesem Jahr immer mehr Gebiete verlieren, die sie im letzten Jahr befreit haben." Die westliche Unterstützung fehle in vielen Teilen, das Jahr 2024 werde sehr schwer werden, prognostiziert Major. Die Unterstützerststaaten haben laut Major ihre Produktion zu spät hochgefahren, eine weitere Offensive der Ukraine werde es frühestens Ende dieses Jahres geben können.
Vorschlag für schnelles Kriegsende
Baldige Friedensverhandlungen? Claudia Major glaubt nicht daran. "Das setzt ja voraus, dass es ein Interesse an Verhandlungen gäbe. Und momentan, wenn man sich die russischen Positionen ansieht, gibt es kein Interesse an Verhandlungen", sagt die Wissenschaftlerin. Russland wolle keinen Kompromiss, sondern den Krieg gewinnen und die Ukraine als eigenständigen Staat abschaffen.
Da kommt ein Vorschlag der amerikanischen Historikerin Mary Sarotte vielleicht im richtigen Moment. Sie hatte in dem Magazin "Foreign Affairs" eine Teilung der Ukraine vorgeschlagen, ähnlich wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sie ist zu Gast bei "Maischberger". "Ich habe Hochachtung vor den Ukrainern, und mir wäre am liebsten, die Ukraine würde gewinnen", sagt sie bei "Maischberger". Eine Teilung der Ukraine wäre unter den aktuellen Bedingungen zwar nicht ideal, aber unter den Varianten, die heute möglich wären, die einzig machbare. Sarotte: "Die Ukraine definiert eine neue Frontlinie, die sich militärisch verteidigen lässt. Sie kommt dann in diesen Grenzen in die NATO, so wie die Bundesrepublik im Kalten Krieg, sagt aber, wir hoffen immer noch auf eine Einheit."
Die Ukraine solle Teil des Westens werden, mit Mitgliedschaft in der NATO und in der EU. Dann habe sie die Möglichkeit, ähnlich wie Westdeutschland militärisch und wirtschaftlich stark zu werden. "Diese Idee hat den Vorteil: Wir schaffen einen Frieden ohne Putin. Denn ich glaube nicht, dass wir mit Putin verhandeln können. (…..) Wir sagen, hier ist jetzt Schluss zurzeit und jetzt kommt dieser Teil in die NATO. Am Tag X wird zurückgeschossen, weil das der Artikel 5 vorsieht."
Die Fallstricke des Vorschlags
Die Idee hört sich erst einmal recht plausibel an, hat aber auch ihre Fallstricke, auf die Claudia Major zu sprechen kommt. Zunächst einmal weist sie auf die brutale Russifizierung der besetzten ukrainischen Gebiete hin. Ukrainer werden von dort deportiert, und so werde eine Vereinigung anders als 1990 in Deutschland sehr schwierig werden. "Dann sind diese Gebiete verloren", so Major. Die Diskussion über einen NATO-Beitritt der Westukraine findet sie dagegen "hervorragend", die Expertin bezweifelt aber, dass alle NATO-Staaten den Beitritt auch ratifizieren. "Momentan ist das nicht so", sagt Major: "Wir haben im letzten Sommer auf der NATO-Konferenz in Vilnius gesehen, dass die USA und Deutschland das nicht wollten und dass sie sehr gestoppt haben."
Doch natürlich kann sich die Haltung der beiden NATO-Staaten unter neuen Bedingungen auch ändern. Das sieht jedenfalls Sarotte so: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Dann wären wenigstens die Kampfhandlungen zu Ende."
Quelle: ntv.de