Politik

Novellen-Showdown im Parlament Kommt eine Minderheitsregierung in Polen?

Gowin ging nicht mit allen Plänen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) d'ac­cord - und wurde vom Bündnispartner entlassen.

Gowin ging nicht mit allen Plänen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) d'ac­cord - und wurde vom Bündnispartner entlassen.

(Foto: picture alliance / PAP)

An einer umstrittenen Rundfunknovelle zerbricht die polnische Regierung. Regierungschef Morawiecki entlässt seinen Vize, der kündigt das Bündnis mit Morawieckis Partei Recht und Gerechtigkeit auf. Nur einen Tag später folgt ein wahrlicher Krimi um die Novelle im Parlament.

Nach der Entlassung des polnischen Vize-Ministerpräsidenten Jaroslaw Gowin ist das nationalkonservative Regierungsbündnis zerbrochen. Nach einem Beschluss des Vorstands von Gowins konservativer Partei Verständigung verlässt diese das Listenbündnis und die gemeinsame Fraktion mit der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Den Schritt hatte Gowin bereits am Vortag angekündigt, nachdem Regierungschef Mateusz Morawiecki ihn als Vize-Ministerpräsidenten und Entwicklungsminister entlassen hatte. Gowins Parteisprecher Jan Strzezek teilte inzwischen auf Twitter mit, man wolle fortan als eigenständige Parlamentariergruppe agieren. Fünf stellvertretende Minister aus Gowins Lager stellten ihre Ämter zur Verfügung.

Mit dem Ausscheiden der Partei Verständigung verliert die PiS ihre absolute Mehrheit im Parlament; nun läuft alles auf eine Minderheitsregierung hinaus. Dies sei ein "reales Szenario", sagte PiS-Sprecher Radoslaw Fogiel dem Portal Wirtualna Polska. "Das Regieren in so einer Situation ist schwierig und unbequem, aber nicht unmöglich."

Hintergrund des Streits waren interne Konflikte über ein Konjunkturprogramm und ein neues Rundfunkgesetz, das die PiS eingebracht hatte, das von Gowin aber kritisch gesehen wurde. Und hier musste die PiS am Folgetag des Zerbrechens der Koalition gleich einen weiteren Schlag einstecken, bevor sich das Blatt dann in der Manier eines parlamentarischen Krimis überraschenderweise wieder wendete. Was war passiert?

Über die Novelle des Rundfunkgesetzes, die die Vergabe von Lizenzen erschweren würde, debattierte das Parlament noch einmal am Mittwoch - bis es überraschend mit den Stimmen der Opposition eine Abstimmung über eine kontroverse Änderung des Rundfunkgesetzes verschob. Es sei nicht klar, ob die Sitzung nun am 2. September oder am 15. September wieder aufgenommen werden solle, meldete die Agentur PAP daraufhin.

"Wenn es um die Mehrheit im Sejm geht, bin ich beruhigt."

Vor der Abstimmung hatte sich PiS-Sprecher Radoslaw Fogiel noch optimistisch gezeigt, dass man für die Verabschiedung des neuen Rundfunkgesetzes trotz zerbrochener Koalition die nötigen Stimmen zusammenbekommen werde. "Wenn es um die Mehrheit im Sejm geht, bin ich beruhigt."

Eine Mehrheit von 229 zu 227 Abgeordneten stimmte dann aber für den Vorschlag der oppositionellen Bauernpartei PSL, die Sitzung zu verschieben. Für die nationalkonservative Regierungspartei PiS sah dies wie das nächste riesige Fiasko nach dem Zerbrechen der Regierungskoalition am Vortag aus. Denn die Abstimmung zeigte klar, dass sie ohne parlamentarische Mehrheit dasteht. Dies spricht auch gegen das Szenario einer Minderheitsregierung.

Nach der Niederlage folgte am Mittwochabend dann noch eine überraschende Kehrtwende: Parlamentspräsidentin Elzbieta Witek von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS ließ das Votum wiederholen - weil sie kein Datum für die Verschiebung der Sitzung genannt hatte. Diesmal sprachen sich 229 Parlamentarier dagegen aus, die Plenarsitzung zu vertagen. Sie wurde noch am selben Abend fortgeführt - und die Novelle des Gesetzes schließlich angenommen.

Rundfunknovelle im Zentrum des Streits

Es ist die Novelle des Gesetzes, die auch der entlassene 59-jährige Gowin kritisiert hatte. Mit seiner konservativen Partei Verständigung bildete er bislang eigentlich ein Listenbündnis mit der PiS und einer weiteren Kleinpartei unter dem Namen "Vereinte Rechte" bildete. Als Begründung für Gowins Entlassung hieß es offiziell, seine Gruppierung habe nicht im ausreichenden Tempo an Reformen der PiS mitgearbeitet. Gowin hatte kritisiert, dass für ein geplantes Konjunkturprogramm massive Steuererhöhungen vorgesehen sind.

Eigentlicher Hintergrund war aber eben der Streit um die Novelle des Rundfunkgesetzes. Die von der PiS im Juli eingebrachten Pläne sehen vor, dass Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden können, wenn diese "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben". Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht von jemandem abhängig sein darf, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb hat.

Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie. Erst vor wenigen Tagen waren mehrere Tausend Menschen gegen das Gesetz auf die Straße gegangen. Auch Gowin hatte die von der PiS eingebrachte Novelle kritisiert.

Quelle: ntv.de, mpe/dpa

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