Schlagabtausch bei Illner Laschet: "Dieses Ausmaß an Landesverrat hat es bisher nicht gegeben"
26.04.2024, 04:35 Uhr Artikel anhören
"Sie haben eine Nibelungentreue zu Leuten, die mutmaßlich russisch gekauft sind", wirft Laschet Chrupalla vor.
(Foto: ZDF und Jule Roehr)
Die AfD hält trotz Korruptionsvorwürfen an ihren EU-Spitzenkandidaten Krah und Bystron fest. Darüber entbrennt in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" am Donnerstagabend ein Streit, wie man ihn in einer Fernsehtalkshow selten sieht.
"Das ist eine Linie, die sich seit Jahren in der AfD vorgezeichnet hat." So beginnt die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin Melanie Amann ihre Kritik an der AfD. Und so beginnt am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" ein Streit, der in dieser heftigen Form Seltenheit im deutschen Fernsehen hat.
Er dreht sich um die beiden Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah und Petr Bystron. Beide stehen im Verdacht, bestechlich zu sein. Krah soll Geld aus Russland und China, Bystron aus russischen Quellen kassiert haben. Gegen Krah laufen zwei Vorermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Im Fall Bystron ist inzwischen angeblich ein Video aufgetaucht, das den Verdacht gegen ihn erhärten soll. Juristisch ist die Sache klar: Solange beiden Politikern keine Schuld nachgewiesen worden ist, gelten sie als unschuldig. Doch in der Politik gelten andere Gesetze, sagt Melanie Amann im Laufe des Streits mit dem AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla. "Es gibt eindeutige, knallharte Belege, da muss man sich schon fragen, wieso Sie das nicht selbst proaktiv aufklären oder sich selbst distanzieren von den beiden."
Ein wenig distanziert sich die AfD schon von ihren EU-Spitzenkandidaten. Aus dem EU-Wahlkampf sollen sie sich offenbar heraushalten. Krah zumindest werde aus eigenem Wunsch nicht beim Wahlkampfauftakt der AfD am Samstag in Donaueschingen reden, sagt Chrupalla. Das belastende Video gegen Bystron habe noch niemand gesehen, sagt Chrupalla korrekt. "Und es finden auch aktuell noch keine Ermittlungen gegen die beiden statt." Die Vorermittlungen hätten überhaupt noch nichts zu sagen, rechtfertigt der AfD-Chef das Verhalten der AfD-Führung. "Wenn uns als Parteiführung Beweise und Belege vorliegen, und die können Sie uns gerne präsentieren, Frau Amann, wenn Sie die hätten und haben, dann werden wir auch entsprechend reagieren." Wie diese Reaktion aussehen soll, hatte Chrupalla am Sonntag in der ARD-Talkshow "Caren Miosga" angekündigt: Dann müssten die beiden Politiker die AfD verlassen.
"Wo kämen wir denn da hin?"
Man sei in keinem Gerichtssaal, und es gebe Leute, die recherchieren, weist Amann Chrupalla zurecht – und meint ihre Kollegen, die in den letzten Wochen die Verstrickungen der beiden AfD-Politiker sehr genau unter die Lupe genommen haben. Chrupalla macht klar: "Aber ich glaube doch nicht dem Spiegel. Wo kämen wir denn dahin."
"Klären Sie doch erst mal auf, was in Ihrer Partei los ist und was für Geld aus russischen Kanälen kommt", fordert Amann. Chrupalla wird sichtlich ärgerlich und behauptet, das mutmaßliche Video gäbe es nicht, Amann beharrt darauf, der Aufklärungswille innerhalb der AfD sei nicht vorhanden. Wenn es Anfragen von der Staatsanwaltschaft gäbe, würde die AfD bei der Aufklärung helfen, versichert Chrupalla. "Aber beide Kandidaten, weder Herr Bystron noch Herr Krah, wurden bislang überhaupt befragt. Von Niemandem."
"Auch nicht von Ihnen", behauptet Amann nun, obwohl selbst der "Spiegel" von den Befragungen der Kandidaten durch den AfD-Vorstand berichtet hat. Krah und Bystron haben laut Chrupalla der Parteiführung schriftlich mitgeteilt, dass die Vorwürfe gegen sie haltlos seien.
Andere Parteien wie die CDU hätten anders gehandelt. Armin Laschet, auch einer der Gäste bei Maybrit Illner, hätte in einem ähnlich gelagerten Fall die Abgeordneten aus dem Verkehr gezogen, bis die Angelegenheit geklärt sei, sagt Amann. "Und diese Verantwortungsübernahme gibt es bei Ihnen nicht. Sie ducken sich weg. Ihnen ist das egal. Sie haben eine Schmerzfreiheit sondergleichen. Sie haben eine Nibelungentreue zu Leuten, die mutmaßlich russisch gekauft sind. Sie stellen sich vor sie, bis diese Leute im Abgrund sind, und dann sagen Sie, das konnte ja keiner wissen. Das ist Ihre Strategie."
Wäre schön, wenn ein Rückzug von Kandidaten von einer Wahlliste so einfach wäre. Die vollständigen Listen müssen jedoch laut Europawahlordnung bis zum heutigen Freitag um 17 Uhr vorliegen. Sollten sie danach noch geändert werden, können sie für ungültig erklärt werden. Das könnte das Aus der AfD für die Europawahl am 9. Juni bedeuten.
Kritik aus der eigenen Partei
Auch in der AfD ist das Festhalten der Parteiführung an den beiden EU-Spitzenkandidaten umstritten. Laut "Table Briefing" habe der Vorsitzende der Jungen Alternative, Hannes Gnauck, auf einer Fraktionssitzung am Dienstag beklagt, die Behauptung, die AfD mache Politik fürs Volk, sei nicht mehr aufrechtzuerhalten. Chrupalla bestreitet das.
Amann ist das egal. Noch nie in der deutschen Geschichte habe es so harte Indizien gegen Kandidaten vor einer Wahl gegeben, sagt sie – und vergisst dabei den Fall Uwe Barschel in Schleswig-Holstein. "Wir sind in der Politik, es geht um die Glaubwürdigkeit von Akteuren, von Leuten, die sich als Patrioten bezeichnen. Das ist doch ein Armutszeugnis sondergleichen. Sie sollten die deutsche Fahne abnehmen und sich eine russische ankleben", sagt Amann.
Nun mischt sich auch Armin Laschet ein. Auch er beklagt das Verhalten der AfD-Spitzenkandidaten: "Solche Zustände hat es in diesem Lande und in diesem Ausmaß an Landesverrat bisher nicht gegeben." Das lässt Chrupalla nicht auf sich sitzen und weist – mittlerweile sehr wütend – auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hin, gegen die im Zusammenhang mit den EU-Impf-Deals mit Pfizer aus dem Jahr 2021 sogar ermittelt worden sei. "Keine Behörde ermittelt dort", wirft Amann dazwischen. Das ist falsch. Im Februar hat die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO mit Ermittlungen begonnen.
Die Affäre hat natürlich nichts mit Landesverrat zu tun – und auch nicht die Beteiligung der Bill-Gates-Stiftung am Spiegel, die Chrupalla Melanie Amann zuletzt vorhält, als diese erklärt, die Meinung von AfD-Abgeordneten sei von Russland und China gekauft worden. Wer denn die Meinung der Journalistin bezahlt und wem sie verpflichtet sei, will Chrupalla wissen.
Amann: "Ich diene meinem Arbeitgeber, und ich diene meiner Aufgabe als Journalistin, die Menschen unabhängig zu informieren – auch über die Machenschaften Ihrer Partei und über die Zahlungsströme aus russischen Kanälen an Ihre Abgeordneten."
Quelle: ntv.de