Nach tagelangen Protesten Macron will "grundlegende Antworten" finden
04.07.2023, 19:10 Uhr Artikel anhören
Tagelang standen sich in vielen Städten Sicherheitskräfte und Demonstranten gegenüber.
(Foto: picture alliance / AA)
Nach dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel und landesweiten Unruhen will Präsident Macron versuchen, die Ereignisse besser zu verstehen. Was die unmittelbare Situation anbetrifft, setzt er auf eine starke Polizeipräsenz und Sanktionen. Sein Innenminister warnt indes vor Stigmatisierungen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach den tagelangen Unruhen im Land nach dem Tod eines Jugendlichen bei einer Polizeikontrolle "grundlegende Antworten" versprochen. Bei einem Treffen mit 241 Bürgermeistern der von den Ausschreitungen besonders betroffenen Städte sagte Macron, es gehe nicht darum, seit Jahrzehnten praktizierte Dinge zu wiederholen, berichtete der Sender BFMTV. Nötig sei vielmehr eine "Antwort auf der Höhe dessen, was wir erlebt haben". Bei dem Treffen wollte Macron neben moralischer Unterstützung auch Hilfe bei der Reparatur beschädigter Rathäuser und anderer öffentlicher Einrichtungen anbieten.
Macron wolle "eine langfristige Arbeit beginnen, um die Gründe für diese Ereignisse zu verstehen", hieß es aus dem Umfeld des Präsidenten. Die landesweite massive Polizeipräsenz solle weiter beibehalten werden, da sie abschreckend wirke. Wenn dies nicht ausreiche, sollten die Sicherheitskräfte "offensiv" vorgehen.
Bei den Unruhen sind landesweit inzwischen rund 5900 Autos in Brand gesteckt worden, wie der Sender BFMTV zuletzt unter Verweis auf das Innenministerium berichtete. An 1100 Gebäuden kam es zu Bränden oder Sachbeschädigungen. Zudem wurden rund 270 Polizeiwachen angegriffen.
Macron: Höhepunkt der Ausschreitungen überschritten
Begonnen hatten die Proteste mit dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle am Dienstag vergangener Woche. Gegen den Beamten, der den Schuss auf den Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt.
Der Höhepunkt der Ausschreitungen sei überschritten, sagte Macron, obwohl in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin Vorsicht geboten sei. "Es ist die dauerhafte Ordnung, die wir als oberste Priorität angehen müssen."
Mit Blick auf die zum großen Teil minderjährigen Protestler kündigte Macron schnellere Justizverfahren an. Die Eltern von straffällig gewordenen Jugendlichen sollten einerseits "besser begleitet" werden, andererseits konsequenter sanktioniert werden, sagte Macron.
Innenminister: Wir wollen keinen Hass
Innenminister Gérald Darmanin warnte indes nach den Protesten vor einer Stigmatisierung von Ausländern. "Die Frage ist heute die nach den Straftätern, nicht nach den Ausländern", sagte Darmanin im Parlament in Paris. Unter den 4000 Festgenommen hätten weniger als zehn Prozent nicht die französische Nationalität, lediglich 40 von ihnen drohe die Abschiebehaft. "Wir wollen weder Hass gegen die Polizei, noch Hass gegen Ausländer. Wir wollen Liebe für die Republik." Es sei möglich, einen Migrationshintergrund zu haben, aus den Vorstädten zu stammen und sein Land zu lieben, so Darmanin.
In dem von der Polizei gestoppten Wagen hatten sich drei Jugendliche befunden. Die Zeitung "Le Parisien" veröffentlichte am Montagabend Schilderungen des Hergangs aus der Sicht eines 14-Jährigen, der auf der Rückbank saß, und die dessen Vater schriftlich der Zeitung übermittelte. Nahel traf den Jungen demnach zufällig morgens und bot ihm an, ihn mit dem Auto zu einer Schulprüfung zu fahren. Einer ersten Aufforderung der Polizei zum Anhalten habe der 17-Jährige keine Folge geleistet, berichtete der Junge.
Als der Verkehr stockte, hätten die Polizisten das Auto eingeholt und ihre Waffen auf den 17-Jährigen gerichtet. Einer habe dabei gedroht, ihm in den Kopf zu schießen. In Panik sei Nahel möglicherweise mit dem Fuß von der Bremse des Automatik-Wagens gerutscht, so dass dieser sich in Bewegung setzte. Der eine Beamte habe den anderen zum Schießen aufgefordert. "Der ist verrückt, der hat geschossen", habe Nahel noch gesagt, ehe er leblos zusammengesackt und der Wagen in eine Absperrung gefahren sei.
Quelle: ntv.de, mpe/dpa/AFP