Diskussion bei Katalanen Mas relativiert Unabhängigkeitserklärung
06.10.2017, 19:23 Uhr
Artur Mas (l.), hier mit seinem Nachfolger Carles Puigdemont, galt bislang als Verfechter einer katalanischen Unabhängigkeit.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wird die katalanische Regierung einseitig die Unabhängigkeit erklären? Ausgerechnet einer der prominentesten Separatisten überrascht nun mit einem Interview. Die Regierung diskutiere noch, sagt Ex-Regionalpräsident Mas.
Zum Ende einer Woche voller Spannung scheint Bewegung in die Katalonien-Krise zu kommen. Die Zentralregierung ändert offenbar ihre Strategie des Nichtstuns und forderte nun Neuwahlen in Katalonien. Zugleich äußerte ein Vertreter der Zentralregierung sein Bedauern über die Polizeigewalt am Tag des Referendums am vergangenen Sonntag. Mehrere Konzerne, darunter die Banken Sabadell und CaixaBank sowie der Energiekonzern Gas Natural Fenosa, haben ihren Firmensitz aus Katalonien verlegt. Die Zentralregierung hatte dies zuvor per Dekret erleichtert. Der Weltwährungsfonds (IWF) warnte, dass das Vertrauen und die Investitionen in Spanien Schaden nehmen könnten, wenn die Krise fortdauere.
Für das größte Aufsehen sorgte dann aber einer der prominentesten Befürworter einer katalanischen Unabhängigkeit. Der ehemalige Regionalpräsident Artur Mas stellte in einem Interview mit der britischen "Financial Times" die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens zum jetzigen Zeitpunkt infrage. Mas war Anfang 2016 zurückgetreten, weil die linksalternative CUP dies zur Bedingung zur Zusammenarbeit mit dem Unabhängigkeitswahlbündnis "Junts pel Sí" gemacht hatte. Der Landstrich sei noch nicht bereit für eine "echte Unabhängigkeit", zitiert die Zeitung Mas.
Später meldete er sich aber gegenüber spanischen Medien zu Wort und widersprach dieser Darstellung. So habe er das nicht gesagt, teilte er der katalanischen Zeitung "La Vanguardia" mit. Zum Beweis habe er einen Audiomitschnitt zur Verfügung gestellt. Darin heißt es laut der Zeitung, die Unabhängigkeitserklärung sei nur ein formaler, politischer und symbolischer Akt. Das Wichtige sei aber, dass diese Erklärung aus einem Land komme, das tatsächlich unabhängig sei.
Mas sagte laut "FT", Katalonien habe zwar das Recht erworben, unabhängig zu werden. Dennoch werde im Führungszirkel der Separatisten darüber diskutiert, ob dies der Moment sei, einseitig die Unabhängigkeit zu erklären. Um unabhängig zu sein, so Mas gegenüber der "FT", müssten einige Dinge gewährleistet sein, die bislang noch nicht da seien. Zum Beispiel die Kontrolle übers Territorium, die Eintreibung der Steuern und ein eigenes Justizwesen.
Mas sagte, dass es innerhalb der Regionalregierung eine Debatte darüber gebe, ob Katalonien nun tatsächlich die Loslösung von Spanien erklären soll. Seiner Ansicht nach müsse jetzt pragmatisch gehandelt und die zu erwartende negative Reaktion der Zentralregierung bedacht werden. Die könnte den Verfassungsartikel 155 aktivieren und damit die Kontrolle über Katalonien übernehmen. Bislang sieht Ministerpräsident Mariano Rajoy dazu noch keine Veranlassung.
Mas' Nachfolger, Carles Puigdemont, hatte nach dem laut spanischer Verfassung illegalem Referendum angekündigt, den Weg der Unabhängigkeit weiterzugehen. Es war erwartet worden, dass er bei der nächsten Parlamentssitzung am Montag einseitig die Unabhängigkeit erklärt. Daraufhin verbot das Verfassungsgericht die Sitzung. Puigdemont kündigte an, stattdessen am Dienstag im Parlament zu erscheinen. In einer TV-Ansprache hatte er sich am Mittwochabend offen für Dialog und Vermittlung gezeigt. Die Zentralregierung lehnt Gespräche mit der katalanischen Regierung ab, da diese sich außerhalb des Rechts bewege. Auch spricht sie sich gegen eine Vermittlung von außen aus.
Quelle: ntv.de, vpe