Politik

Trotz 45 Jahren Beschäftigung Menschen droht "Lawine der Altersarmut"

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Fast drei Millionen Menschen droht eine Rente auf Grundsicherungsniveau.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Beschäftigte in Verkehr, Handel, Gastronomie und Bau sind am stärksten betroffen: Auch nach 45 Jahren in Lohn und Brot droht ihnen nur eine Rente auf Grundsicherungsniveau. Der paritätische Wohlfahrtsverband hat ein Lösungskonzept.

Auch nach 45 Jahren Vollbeschäftigung droht einem Bericht zufolge fast drei Millionen Menschen eine Rente auf Grundsicherungsniveau. Im Jahr 2019 gab es insgesamt rund 2,9 Millionen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte mit einem Entgelt unterhalb des Schwellenwertes von monatlich 2050 Euro, wie eine Regierungsantwort auf eine Linken-Anfrage ergab, über die das ZDF-Hauptstadtstudio berichtete. Das sei "nahezu jeder siebente", sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Die Zahlen seien "skandalös."

Am stärksten betroffen seien Beschäftigte in den Branchen Verkehr und Logistik, Einzelhandel, Gastronomie und Baugewerbe, hieß es in der Antwort des Bundesarbeitsministeriums unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit.

"Es kann nicht sein, dass diejenigen, die ein Leben lang arbeiten, am Ende in Grundsicherung landen", sagte Bartsch, der die Anfrage gestellt hatte. "Und wenn es gerade diejenigen sind, die vielfach in den letzten Monaten beklatscht worden sind, dann ist der Skandal besonders sichtbar."

"Abgespeist werden mit einem Hungerlohn"

Der Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns von 9,35 Euro auf 9,50 Euro je Stunde sei "viel zu wenig", sagte der Linken-Politiker. Er kritisierte, "dass wir auf der einen Seite in Deutschland eine Wahnsinnsentwicklung bei den Vermögen haben und auf der anderen Seite Menschen, die hart arbeiten, die systemrelevant sind - und abgespeist werden mit einem Hungerlohn."

Das Ressort von Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD verweist dem ZDF-Bericht zufolge darauf, dass sich "Aussagen zum Einkommen der Beschäftigten über die gesamte Erwerbskarriere hinweg" auf Basis der vorliegenden Zahlen jedoch nicht treffen ließen. Es könnte sein, dass ein Teil der genannten 2,9 Millionen Beschäftigten künftig mehr verdienen würde.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß von der CDU, sagte dem ZDF: "Wenn jemand wirklich trotzdem ein Leben lang in diesem niedrigen Einkommenssegment bleibt, dann schaffen wir ja mit dem neuen Rentenrecht, das seit Anfang dieses Jahres gilt, eine bessere Stellung bei der Rente." Die verbesserte Grundrente stelle sicher, dass Menschen mit langer Erwerbsbiografie im Alter mehr hätten als jene, die nicht oder wenig gearbeitet haben. Zudem verwies Weiß auf den eingeführten, rein arbeitgeberfinanzierten Zuschuss zu einer betrieblichen Altersversicherung für Geringverdiener. "Ich persönlich würde das sogar gerne verpflichtend einführen", sagte er.

"Wir brauchen eine Mindestrente"

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die jetzt vorgelegten Zahlen dennoch für "wirklich erschreckend", wie Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte. Selbst nach 45 Jahren Vollbeschäftigung fürchten zu müssen, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, sei ein Armutszeugnis - zumal sehr viele Beschäftigte weder 45 Versicherungsjahre zusammenbekämen noch in Vollzeit arbeiten könnten.

In Summe führe dies dazu, "dass auf uns eine Lawine der Altersarmut zurollt", sagte Schneider. Um gegenzusteuern seien drei Dinge notwendig: "Wir müssen das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent hochsetzen, wir brauchen eine Mindestrente unabhängig davon, wie lange jemand eingezahlt hat - und eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro."

Quelle: ntv.de, can/AFP

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