Schleppender Wiederaufbau Mossuls Brücken bleiben Trümmerhaufen
02.01.2018, 07:20 Uhr
Die "Alte Brücke", die den Ostteil der Stadt mit der Altstadt verbindet, liegt seit Monaten in Trümmern.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Fünf Brücken verbanden einst die zwei Ufer der Millionenstadt Mossul miteinander. Alle wurden im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat zerstört. Auch Monate nach der Befreiung ist noch keine wiederaufgebaut.
Früher brauchte Ahmad Mejssar nur wenige Minuten, um über den Tigris zur Universität von Mossul auf dem linken Flussufer zu gelangen. Seitdem die fünf Brücken der Stadt in den Kämpfen mit der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zerstört wurden, benötigt der Student jedoch mehr als zwei Stunden. Zwar haben sechs Monate nach der "Befreiung" der nordirakischen Großstadt die Reparaturarbeiten begonnen, doch vielen Einwohnern geht der Wiederaufbau viel zu langsam.
"Wir können so nicht leben! Sollte die Regierung nicht alles wieder aufbauen für die Einwohner?", empört sich die 44-jährige Fathija Subhi. Die Hausfrau braucht mit ihrem Kind auf den Schultern eine halbe Stunde für die 330 Meter über den Fluss, da die beiden mit internationaler Hilfe errichteten Behelfsbrücken permanent durch Autos und Mopeds verstopft sind - zu groß ist der Andrang in der Zwei-Millionen-Stadt.

Diese Brücke flussaufwärts ist seit dem Kampf um die Stadt zerstört. Wann Ersatz kommt, ist ungewiss.
(Foto: imago/Reporters)
Wegen der zerstörten Brücken ist Mejssar gezwungen, spätestens um sechs Uhr das Haus zu verlassen, um rechtzeitig zum Beginn der Vorlesungen an der Uni zu sein. Auch der Taxifahrer Jahja Ahmed hat sein Leben ändern müssen und arbeitet nur noch auf einer Seite des Tigris. "Zuvor wechselten wir von einer Seite des Flusses zur anderen, ohne groß darüber nachzudenken, doch jetzt braucht es zweieinhalb Stunden", sagt der 37-Jährige.
Deutsche Delegation erarbeitet Brücken-Pläne
Einige der Brücken in Mossul und der umliegenden Provinz Ninive wurden von den Dschihadisten gesprengt, andere wurden von den Flugzeugen der internationalen Anti-IS-Koalition zerstört, um die Truppenbewegungen und Nachschublieferungen der IS-Miliz zu behindern. Teilweise stehen nur noch die Pfeiler im Tigris.
Rund 90 Prozent der 70 Brücken in der Region seien bei den Kämpfen zerstört oder beschädigt worden, sagt ein Sprecher der regionalen Straßenbaubehörde. In den ersten Monaten nach der Rückeroberung von Mossul im Juli mussten die Einwohner 30 Kilometer flussabwärts fahren, um auf einer Pontonbrücke über den Tigris zu gelangen, die von den Regierungstruppen während des Konflikts errichtet worden war.
Inzwischen wurden zwei Brücken mit Krediten der Weltbank und der UNO provisorisch hergerichtet oder durch Pontonbrücken ersetzt. Auch die drei anderen Brücken von Mossul sind in Arbeit, und kürzlich hat eine deutsche Delegation die Provinz besucht, um Pläne für die Reparatur von sieben weiteren Brücken zu erarbeiten. Bis es soweit ist, werden aber noch Monate voll Staus und Umwegen vergehen.
Mossul fühlt sich von Bagdad im Stich gelassen
Bei den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Dschihadisten wurden in Mossul nicht nur die Brücken, sondern auch viele Wohn- und Geschäftsviertel zerstört. In einigen Stadtteilen gibt es bis heute weder Strom noch Wasser, auch sind noch immer viele Straßen durch Trümmer blockiert. Besonders die Altstadt, in deren Gassen die IS-Kämpfer bis zuletzt erbitterten Widerstand leisteten, hat es hart getroffen.
Im Bazar wollen die Geschäftsleute nicht länger warten und haben den Wiederaufbau selbst in die Hand genommen. Viele der Händler haben zusammengelegt, um Bulldozer zu bezahlen, um die Trümmer wegzuräumen. "Wir haben nicht auf die Stadtverwaltung gewartet, weil sie sehr langsam ist und alles sicher noch Monate länger gedauert hätte", sagt der Gewürzhändler Abu Ahmed.
Viele in der mehrheitlich sunnitischen Stadt fühlen sich durch die schiitisch dominierte Zentralregierung in Bagdad im Stich gelassen. Selbst Mossuls Bürgermeister Suhair al-Aradschi klagt, dass die Hilfe aus Bagdad unzureichend sei und er allein kaum etwas ausrichten könne. "Wir sind auf uns selbst angewiesen, da die Zentralregierung bisher keinerlei Plan für den Wiederaufbau Mossuls vorgelegt hat", sagt er.
Quelle: ntv.de, Mohammed Salim, AFP