Politik

Slapstick-Einlage im Bundestag Politiker machen "heute-show" Konkurrenz

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Lindner schreibt Geschichte - er ist Untersuchungsausschuss Obmann und Zeuge.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre befragt sein Mitglied Tobias Lindner von den Grünen als Zeugen. Was ernst gemeint ist, gerät auch dank seiner Partei zur Realsatire. Ein Erkenntnisgewinn: Das Verteidigungsministerium kann nicht schwärzen.

Tobias Lindner war es anzumerken, dass er sich intensiv auf seine Aussage vorbereitet hatte. Sein Eingangsvortrag wirkte konzentriert, als hätte er ihn mehrfach geübt. Der Politiker schrieb immerhin in der Nacht zum Freitag ein klein wenig Bundestagsgeschichte. Er war der erste Abgeordnete in der 70-jährigen Geschichte des Parlaments, der als Mitglied eines Untersuchungsausschusses in eben diesem Gremium auch als Zeuge auftrat.

Sein erklärtes Ziel war es, zu beweisen, dass die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sehr wohl von ihrem Diensthandy aus SMS im Zusammenhang mit der Berateraffäre verschickt habe, die der Ausschuss durchleuchtet. Die CDU-Politikerin, die inzwischen EU-Kommissionschefin ist, hatte die Daten nach eigenem Ermessen als für die Untersuchung nicht relevant gelöscht.

Seite 47 fehlte

Lindner stellte sich zunächst einmal, wie es das Gesetz will, als Zeuge vor: "Meine ladungsfähige Adresse ist der Platz der Republik 1 in Berlin", sagte er unter anderem zu seiner Person. Dann erklärte er seine Motivation, die im Vertrauen geschriebene Nachrichten öffentlich zu machen. Er habe es sich nicht leicht damit getan, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass das Aufklärungsinteresse überwiege.

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Der Inhalt ihrer Diensthandys ist inzwischen gelöscht und von der Leyen ist nach Brüssel weitergezogen.

(Foto: picture alliance / Michael Kappe)

Nun schilderte Lindner, wie er an die Textnachrichten gekommen sei. Um den U-Ausschuss möglichst zu verhindern, habe von der Leyen den führenden Haushaltspolitikern die von der Firma Deloitte erstellte Sonderprüfung zu den zweifelhaften Vorgängen elektronisch übermitteln lassen. Doch habe die Seite 47 gefehlt, die einen Hinweis auf eine Auftragsvergabe an eine McKinsey-Tochter enthalten habe. Diese hätte der Bundestag absegnen müssen, was aber nicht geschehen sei.

In einer Sitzung zum Haushalt 2019 erhielt Lindner von der damaligen Ministerin eine SMS: "Können Sie kurz rauskommen, ich habe noch eine wichtige Info für Sie." Und kurz danach: "Tipp: Checken Sie noch mal die Seitenzahl, die Sie aus Deloitte zitiert haben. Gut's Nächtle." Lindner antwortete, er wisse, was sie meine. Daraufhin schrieb von der Leyen: "Ich schlaf jetzt".

Kurz danach habe sie ihm bei einer zufälligen Begegnung "sinngemäß" geraten, er solle "vorsichtig" bei seinen Quellen sein. Gegangen sei es um die Schwärzung des Namens eines führenden Mitarbeiters des Ministeriums. Lindner berichtete: "Die Schwärzungen waren dilettantisch gemacht", weshalb er den Namen gekannt habe. Von der Leyen habe "nicht nur einen gut gemeinten Hinweis geben" wollen, "sondern eine gewisse Unsicherheit mitschwingen lassen".

Nach Lindners Vortrag herrschte großes Rätselraten auf der Zuschauertribüne und wohl auch unter den Abgeordneten. Schließlich stand der Vorwurf der Vertuschung im Raum. Doch der SMS-Verkehr zeigte zunächst einmal, dass von der Leyen zu den Vorgängen Textnachrichten verschickte. Der Verdacht aber, dass sie Dinge unter den Tisch gekehrt haben könnte, war damit weder bestätigt noch ausgeräumt.

Ministerin oder Sohn?

Henning Otte, der für die CDU an der Untersuchung teilnimmt und Parteikollege von der Leyens ist, machte dem Grünen-Politiker auf witzige Art klar, was er von dem Auftritt hielt: nichts. Er stellte Fragen - und von da an wurde die Sitzung zur Realsatire. Es folgten viele Anspielungen auf bisherige Zeugenaussagen, Patenschaften, private Freundschaften zwischen Ministeriumsmitarbeitern und Beratern sowie Spitzen gegen den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Hellmich, der so gut wie nie Fragen zulässt, die mit dem Auftrag, was genau aufgeklärt werden soll, nichts zu tun haben.

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Der Ausschuss untersucht Teile des Beraterwesens bei der Bundeswehr.

(Foto: picture alliance/dpa)

Otte forderte Lindner auf, sein Verhältnis "zu VdL" zu beschreiben. Lindner fragte: "Meinen Sie damit die Bundesministerin der Verteidigung a. D. oder meinen Sohn?" Das Kind heißt Vincent David Lindner. Otte daraufhin: "Es würden mich beide interessieren." Lindner erklärte: "Das jetzige Verhältnis zu meinem Sohn ist, glaube ich, nicht untersuchungsgegenständlich, aber ausgesprochen gut und liebevoll", das zu von der Leyen geprägt durch ein "Spannungsverhältnis". Er sei in der Opposition. Es sei aber auch "kein Geheimnis", dass von der Leyen "durchaus eine Befürworterin einer Koalition ihrer Partei mit meiner Partei war". Daraufhin rief die FDP-Abgeordnete Agnes Strack-Zimmermann dazwischen: "Das hat sie mir auch immer gesagt." Großes Gelächter.

"Frage ist nicht hypothetisch"

Otte bat Lindner um eine Erklärung, warum er den SMS-Wechsel denn überhaupt als Beweis eingebracht habe. "Der Grund ist, weil ich ihn übergeben habe", sagte Lindner. "Die Frage, ob untersuchungsgegenständliche SMSen existieren, ist keine hypothetische." Otte hakte nach: "Ist das relevant und wesentlich?" Lindner wollte sich "als Zeuge" nicht zur "Relevanz von Beweismitteln" äußern. Der CDU-Mann wollte "der Vollständigkeit halber" von Lindner wissen, ob dieser "eine besondere Verbindung", etwa eine Paten- oder Taufpatenschaft, zu einem der anderen Zeugen habe. Der Grünen-Politiker verneinte. Mit einem der Zeugen sei er per Du, aber nicht befreundet. "Ich habe auch keinen der Zeugen getauft, war Taufpate oder Taufzeuge, ich bin auch mit niemandem verheiratet, war nicht auf Familienfesten von irgendwelchen Zeugen eingeladen."

Strack-Zimmermann erkundigte sich danach, "ob der Zeuge" davon ausgehe, dass von der Leyen weitere SMS "zum Untersuchungsgegenstand" geschrieben habe oder ob er "der einzige Auserwählte" gewesen sei. Lindner meinte, er gehe davon aus, kein Alleinstellungsmerkmal dieser Art zu besitzen. Der SPD-Abgeordnete Dennis Rohde, verzichtete auf Fragen, bot aber an, bei Bedarf selbst als Zeuge aufzutreten.

Zu guter Letzt beteiligte sich der Grünen-Parlamentarier Omid Nouripour an der Gaudi, der normalerweise nie im U-Ausschuss ist: "Ich glaube, das gehört nicht zum Untersuchungsgegenstand, wenn ich hier für meine Fraktion erkläre, dass wir doch lieber alleine regieren wollen." Wie sich Lindner als Zeuge fühle, so auf der anderen Seite? Das sei das erste Mal, sagte dieser. "Aber ich will nicht verhehlen, dass es im Haushaltsausschuss schon vorgekommen ist, dass ich im Verlauf der Sitzungen mich zum Kollegen auf den Nachbarplatz gesetzt habe." Nun sagte Hellmich: "Das hat mit dem Untersuchungsausschuss nun mal gar nichts zu tun." "Herzlichen Dank für diesen sachdienlichen Hinweis", sagte Nouripour.

Quelle: ntv.de

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