1. April 1991 - Der letzte Mord der RAF Rohwedders Witwe verdächtigt Stasi
01.04.2011, 10:50 Uhr
1991: Die Leiche Rohwedders wird aus dem Haus des Treuhandchefs gebracht.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Vor 20 Jahren wurde Treuhand-Chef Rohwedder erschossen. Der Mord ist ungeklärt. War es wirklich das letzte Attentat der RAF? Hartnäckig hält sich das Gerücht, es könnte ein Racheakt alter Stasi gewesen sein. Eine These, die auch Rohwedders Witwe für möglich hält.
Hergard Rohwedder ist nicht von einem unbedingten Gerechtigkeitsbedürfnis getrieben. "Ich will nicht wissen, wer den Finger am Abzug hatte", sagt die Witwe des 1991 ermordeten Chefs der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder. Das unterscheidet sie von Michael Buback, der die Aufklärung des Mordes an seinem Vater zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat. Rohwedder hat auch keinen ständigen Kontakt zu den Ermittlungsbehörden, um sich über jede Spur auf dem Laufenden halten zu lassen. Sie wolle nicht verbittert werden. Schließlich sei sie durch das Grauen durchgekommen. "Ich habe nur gebeten, mich zu informieren, wenn der Täter gefunden ist. Ich will es nicht aus den Medien erfahren", sagt die 72-Jährige n-tv.de.
Konfrontiert wird sie mit den schrecklichen Ereignissen ohnehin oft genug. Zum 20. Jahrestag der Ermordung ihres Mannes melden sich wieder viele Medien bei ihr. Die Tat ist bis heute ungeklärt, Geheimnisse und Legenden umranken sie. Der Mord an Rohwedder gilt als letztes politisches Attentat der RAF. Hartnäckig hält sich aber auch die These, es könne ein verspäteter Racheakt der Stasi gewesen sein. Rohwedders Witwe ist eine Anhängerin der Stasi-Theorie.
Schüsse durchs Fenster
Es ist der 1. April 1991, später Abend in Düsseldorf. Der Vorsitzende der Treuhandanstalt steht gegen halb zwölf im ersten Stock seines Hauses am Fenster, da fallen die tödlichen Schüsse. Die erste Kugel trifft Detlev Karsten Rohwedder und lässt ihn zu Boden sacken. Der Täter feuert noch zwei weitere Schüsse ab. Der eine trifft Rohwedders Frau Hergard und zertrümmert ihren Ellenbogen. Der andere landet in einem Bücherregal. Rohwedder verblutet. Der 58-jährige SPD-Politiker und Wirtschaftsmanager wurde von einem gegenüberliegen Gartengrundstück erschossen. Bis heute weiß man nicht, von wem.

Der Plastikstuhl: Daneben wurden noch ein Handtuch, ein Fernglas und Patronen am Tatort gefunden.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Dabei scheint die erste Spur eindeutig zu sein. Am Tatort findet die Polizei ein Bekennerschreiben der Roten Armee Fraktion (RAF). Darin bekennt sich ein "Kommando Ulrich Wessel" zu der Tat. Rohwedder wird als "einer dieser Schreibtischtäter" bezeichnet, die "tagtäglich über Leichen gehen und die im Interesse von Macht und Profit Elend und Not von Millionen Menschen planen". Ein "Bonner Statthalter in Ostberlin". Zudem können die Ermittler einen Plastikstuhl, ein Handtuch, ein Fernglas und drei Patronenhülsen sicher stellen. Die dritte Generation der RAF scheint ein weiteres Opfer auf dem Gewissen zu haben.
Sanierung der Ex-DDR-Betriebe
Doch die unter Hochdruck anlaufenden Ermittlungen bringen keinen Erfolg. Weder Täter noch Waffe werden gefunden, vom Motiv ganz zu schweigen. Deshalb kann sich auch die Theorie vom Racheakt der Stasi halten. Rohwedder war als Chef der Treunhandanstalt schließlich für die Abwicklung der ehemaligen DDR verantwortlich. Er privatisierte alte Staatsbetriebe oder löste sie gleich ganz auf. Er war das Gesicht der wirtschaftlichen Sanierung Ostdeutschlands, Kritiker werfen ihm die "Abwicklung" vor.

Ihm gehörte das Haar: Wolfgang Grams, der 1993 bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
"Eine Reihe von Indizien spricht dafür, dass es die Stasi war", sagt Hergard Rohwedder. Zum einen sei die Tat "hoch professionell" ausgeführt worden. Zum anderen wurden auch auf sie Schüsse abgegeben. Das habe die RAF sonst nie getan, auf Familienmitglieder zu schießen. "Bekennerschreiben kann man fälschen", ergänzt sie gegenüber n-tv.de. Zumindest eine Gemeinschaftstat von RAF und Stasi hält die Witwe für möglich. Politiker wie der Menschenrechtsbeauftragte Günter Nooke, die CDU-Politikerin Dagmar Schipanski und selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel würden ihre Stasi-These teilen, betont Rohwedder noch.
Ermittler glauben an RAF
Die Ermittler teilen sie nicht. Der Mord an Rohwedder ist noch immer ein Fall der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Mord verjährt nicht. Und die immer besseren Untersuchungsmöglichkeiten geben den Ermittlern Hoffnung, eines Tages doch noch brauchbare Spuren zu finden. So wie 2001, als mit Hilfe neuer Techniken zur Genanalyse Haare untersucht werden konnten, die vom Handtuch am Tatort stammten. Eines der Haare konnten die Ermittler zweifelsfrei zuordnen: Es gehörte dem ehemaligen RAF-Mitglied Wolfgang Grams. Der war allerdings 1993 bei einer versuchten Festnahme ums Leben gekommen. Angeblich hatte sich Grams selbst erschossen.
Doch auch an anderer Stelle sorgen technische Entwicklungen für neue Hinweise. So konnte die Echtheit des Bekennerschreibens überprüft und bestätigt werden. Außerdem wurde mit Hilfe der Verfeuerungsspuren an den drei Patronenhülsen geklärt, dass die Kugeln aus derselben Waffe stammten, die auch bei einem Anschlag auf die US-Botschaft 1991 verwendet wurde. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse geht die Bundesanwaltschaft deshalb davon aus, dass es eine Tat der RAF war. Nun hoffen die Ermittler auf weitere Erkenntnisse aufgrund technischer Entwicklungen, die doch noch zur Aufklärung führen. Hoffnung gibt ihnen dabei der Fall Buback: Aufgrund von DNA-Spuren auf Umschlägen, die Verena Becker zugeordnet wurden, konnte ein neuer Prozess gegen die ehemalige Terroristin angestrengt werden.
"Schweigespirale der RAF"
Von den früheren RAF-Mitgliedern erwarten sich die Ermittler dagegen wenig Aufklärung. Gerade der aktuelle Prozess gegen Becker zeigt, wie gut das Schweigegelübde der Terroristen noch heute hält. Auch Hergard Rohwedder kennt diese "Schweigespirale", wie sie es nennt. "Mit der Aufklärung ist es so eine Sache", sagt die 72-Jährige. Die Skepsis ist ihr deutlich anzumerken. Zudem sieht sie keinen großen Nutzen darin. "Es hilft ihnen nicht mehr und uns auch nicht", sagt sie.
Hergard Rohwedder stört sich an ganz anderen Sachen, die aktuell passieren. Es ist die filmische Heroisierung, die sie nicht verstehen kann. Wenn die RAF-Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin als "Bonnie und Clyde" dargestellt werden, "Mörder" im schicken Porsche durch die Gegend fahren und ihr Leben in einer Art inszeniert wird, die gerade junge Menschen als cool empfinden könnten. "Schicke Zeitgeist-Schublade", nennt Rohwedder das. Sie habe selbst mit anhören müssen, wie zwei Mädchen nach einem RAF-Film von "tollen Leuten" sprachen.
Quelle: ntv.de