Politik

Abwehrstellung hinter der Front Neue Bilder zeigen russische "Wagner-Linie"

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In der Ukraine richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf den Süden, auf Cherson und den dortigen Staudamm. Aber auch im Osten sichern die Russen ihre Stellungen. Allerdings rund 50 Kilometer hinter der derzeitigen Front. Gehen sie von einem Gebietsverlust aus?

In der ukrainischen Region Luhansk bauen russische Truppen seit Tagen eine Verteidigungslinie am Stadtrand von Hirske. Aktuelle Satellitenbilder des Anbieters Maxar und neue russische Propagandaaufnahmen geben nun einen detaillierten Blick auf die Abwehrstellung. Zu sehen sind Hunderte kleine Betonpyramiden, die auf zwei Linien errichtet wurden. Offenbar sollen sie ukrainische Militärfahrzeuge aufhalten. Auffällig ist, wie weit weg diese Linie vom aktuellen Frontverlauf liegt. Hirske befindet sich etwa 25 Kilometer südlich von Lyssytschansk, das unter russischer Kontrolle steht und gut 50 Kilometer östlich von Bachmut, wo derzeit die Front verläuft und die Russen eigentlich angreifen, also in der Vorwärtsbewegung sind.

In russischen Medien, werden die auf etwa 1,6 Kilometer Länge in zwei Doppelreihen angeordneten Betonblöcke bei Hirske inzwischen auch als "Wagner-Linie" bezeichnet, in Anlehnung an die russische Söldnertruppe, die mittlerweile eine wichtige Stütze des russischen Feldzugs ist und für den Bau verantwortlich sein soll. Das russische Portal Riafan veröffentlichte in den vergangenen Tagen mehrere Aufnahmen der Abwehrstellung. Das Unternehmen gehört zur Mediengruppe des Putin-Vertrauten Jewgeni Prigoschin, der die Wagner-Gruppe nach eigenen Angaben ins Leben rief.

"Eine Befestigungsanlage wird entlang der Kontaktlinie gebaut", verkündete Prigoschin vor wenigen Tagen auf Telegram. Er prahlte, die Befestigung sei eigentlich gar nicht notwendig, weil "die Anwesenheit einer Wagner-Einheit an der Front" bereits eine "unüberwindliche Mauer" sei.

Riafan spricht von einer "zweiten Verteidigungslinie", sollten die Ukrainer dort durchbrechen. Dass es entsprechende Vorbereitungen gibt, überrascht nicht - es handelt sich um die Region, in der den Ukrainern im September überraschend große Geländegewinne gelangen. Angesichts der geringen Länge könnte es aber Möglichkeiten für ukrainische Kräfte geben, die Linie zu umfahren. Bei Hirske verläuft eine wichtige Straße nach Luhansk, der wichtigen Regionalhauptstadt. Die gleichnamige Region gehört zu den kürzlich von Russland annektierten Gebieten.

Der Historiker Christian Hartmann äußerte sich skeptisch über die Wirksamkeit solch starrer Verteidigungsanlagen, gerade im heutigen Drohnenzeitalter. "Solche altertümlichen Bauten haben eher eine propagandistische und psychologische Bedeutung für die Verteidiger", sagte der Leiter des Forschungsbereichs Einsatz am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr vergangene Woche im Gespräch mit ntv.de. "Generell sind Hindernisse immer gut. Sie können nicht nur dabei helfen, einen Angriff abzuwehren, sondern ihn auch zu kanalisieren." Entscheidend für das Halten einer solchen Linie seien aber die zur Verfügung stehenden Reserven des Verteidigers.

Blick auf Hirske (ukr. Гірське): Nördlich der Sperrlinie verläuft die Straße nach Wrubiwka, südlich die Bahntrasse zum örtlichen Kohlebergwerk.

Blick auf Hirske (ukr. Гірське): Nördlich der Sperrlinie verläuft die Straße nach Wrubiwka, südlich die Bahntrasse zum örtlichen Kohlebergwerk.

(Foto: Kartendaten © OpenStreepMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA))

CNN zitiert ein russisches Blatt, wonach ein Ausbau der Linie von der russisch-ukrainischen Grenze bis nach Kreminna und dann in den Süden nach Switlodarsk geplant sei. In dem Fall müsste sie allein am letztgenannten Nord-Süd-Abschnitt noch um knapp 100 Kilometer verlängert werden. Einer Berechnung des Senders zufolge müssten insgesamt 217 Kilometer befestigt werden. Weitere Bauaktivitäten seien aber auf Satellitenbildern nicht zu erkennen gewesen.

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 22. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, vpe/jpe

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