Massive Verluste Russische Elite-Brigade in der Ukraine aufgerieben
17.12.2022, 01:13 Uhr
Soldaten der 200. Schützenbrigade bei einer Übung im Jahr 2012.
(Foto: Russisches Verteidigungsministerium)
Zu Beginn des Krieges soll die 200. Schützenbrigade auf Befehl des Kreml die ukrainische Stadt Charkiw erobern. Doch der Vorstoß misslingt. Knapp siebeneinhalb Monate später ist von dem Verband kaum noch etwas übrig.
Die 200. selbstständige motorisierte Schützenbrigade gehörte früher zu den erfahrensten und am besten ausgerüsteten Verbänden der russischen Armee. Stationiert in der Region Murmansk bewachte sie das russische Atomarsenal an der Grenze zu Finnland. Doch nach der Verlegung in die Ukraine soll die Brigade so schwere Verluste erlitten haben, dass sie laut einem Bericht der "Washington Post" praktisch als "ausgelöscht" gilt. Die Zeitung beruft sich bei ihren Recherchen unter anderem auf interne russische Dokumente, Interviews mit Angehörigen der Brigade, westlichen Experten und Berichten ukrainischer Truppen, die dem Verband gegenüberstanden.
Demnach versuchte die 200. zu Beginn der russischen Invasion vergeblich, die Stadt Charkiw zu erobern. Doch schon am ersten Tag des Krieges seien Einheiten der Brigade in ukrainische Hinterhalte geraten. Dutzende von Soldaten seien getötet oder verwundet worden und Ausrüstung, darunter Panzer und mobile Grad Raketenwerfer, zerstört worden. Bereits im Mai sei die Brigade zurück nach Russland verlegt worden, um sich neu zu formieren. Internen Dokumenten zufolge sollen dem Verband Ende Mai weniger als 900 Soldaten in zwei taktischen Bataillonsgruppen verblieben sein. Dabei zog der Verband westlichen Experten zufolge mit 1400 Mann in den Krieg.
"Einheit befindet sich in einem Zustand des Verfalls"
Über den Sommer habe die Brigade Verstärkung durch ein "gemischtes Freiwilligenbataillon" aus Murmansk erhalten. Unter den Neuankömmlingen seien Matrosen und Logistiker gewesen, die wenig bis gar keine Erfahrung im Bodenkampf hatten. Die erfahrenen Soldaten und Berufsoffiziere, die zu Beginn des Krieges mit hochmodernen T-80-Panzern in die Schlacht fuhren, wichen einer Ansammlung schlecht ausgebildeter Kombattanten, die mit dürftiger oder veralteter Ausrüstung in den Dienst gedrängt wurden, schreibt die "Washington Post".
"Die Einheit befindet sich in einem Zustand des Verfalls", klagte ein Soldat der Brigade gegenüber der Zeitung. Ihm und anderen frisch eingezogenen Rekruten seien zunächst "bemalte Helme von 1941 und Schutzwesten ohne Platten" zugeteilt worden. "Sie trainieren uns nicht einmal. Sie sagen dir nur: 'Du bist jetzt ein Schütze. Bitteschön, hier ist ein Maschinengewehr'."
Nach der Rückkehr in die Ukraine wurde die 200. Schützenbrigade im September von der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Charkiw überrascht. Besonders bei Gefechten um die Stadt Kupjansk soll der Verband abermals schwere Verluste erlitten haben. Im Oktober bezogen Reste des Verbands dann Stellungen in der Region Luhansk.
"Von dieser Brigade ist nichts mehr übrig"
Nach dem Rückzug aus der Region Charkiw seien nur noch Fragmente eines einzigen Bataillons übrig geblieben, das sich aus einem Sammelsurium von Soldaten zusammensetzte, die wenig Ähnlichkeit mit den erfahrenen Männern hatten, die sieben Monate zuvor in die Ukraine aufgebrochen waren, sagte der ukrainische Oberstleutnant Pavlo Fedosenko der "Washington Post". "Von dieser Brigade ist nichts mehr übrig", fügte er an. "Sie ist komplett ausgelöscht."
Westliche Sicherheitsbeamte teilen die Einschätzung. Weil so viele Berufssoldaten und hochrangige Offiziere gefallen sind, werde es Jahre dauern, den Verband wieder aufzubauen, sagte ein hochrangiger europäischer Geheimdienstmitarbeiter dem Blatt.
Die genauen Verluste der 200. Brigade sind nach Angaben der "Washington Post" schwierig zu ermitteln, da der Verband keine Zahlen veröffentlicht. Dennoch gebe es Hinweise darauf, wie schwer die Brigade dezimiert worden sei. Ende August verabschiedeten die regionalen Behörden in Murmansk ein Gesetz, wonach Schulkinder, deren Väter oder Mütter in der Ukraine getötet oder verwundet wurden, kostenlose Mahlzeiten erhalten. Laut den Behörden kamen 1.274 Kinder für die kostenfreie Verpflegung infrage.
Quelle: ntv.de, jpe