IRIS-T, S-300, Vampire, C-RAM Was die russischen Terror-Drohnen stoppen könnte
14.11.2022, 14:49 Uhr (aktualisiert)Die Angriffe mit Kamikaze-Drohnen auf ukrainische Städte sind die nächste Wende im Krieg. Bisher scheint Kiew kein wirksames Mittel gegen die Massen-Attacken zu haben. Welche Waffen und Abwehrsysteme aus dem Westen könnten dagegen helfen?
Sie fliegen langsam, sind laut, können aber Tausende von Kilometern zurücklegen und sind auch noch schlecht zu orten: Kamikaze-Drohne, wie die im Iran entwickelte Shahed-136, verbreiten in der Ukraine derzeit Angst und Schrecken. Sie zeigen auch auf, wie moderne Luftabwehr an ihre Grenzen gerät. Bereits die Huthi-Rebellen im Jemen sollen die Drohnen erfolgreich gegen Saudi-Arabien eingesetzt haben, welches sich trotz moderner Luftabwehr nicht dagegen verteidigen konnte. Nun setzt auch Russland auf die Terror-Drohnen.
Viele der Drohnen wurden bei den jüngsten Massen-Angriffen auf die Ukraine zwar abgeschossen, viele kamen jedoch durch. In Kiew griffen Polizisten in einem Akt der Verzweiflung zu ihren Gewehren, um eine Drohne vom Himmel zu holen. Keine wirkliche Lösung, wie Militärexperten betonen. Denn die Drohnen explodieren dann woanders im Stadtgebiet, wenn sie aufschlagen. Und auch die abgefeuerte Munition aus den Gewehren kommt irgendwo wieder herunter und wird zur Gefahr.
Die Ukraine verfügt zwar auch über größere Abfangraketen sowjetischer Bauart, wie die Buk oder S-300, und mittlerweile auch über das hochmoderne deutsche System IRIS-T SLM. Doch diese Raketen sind mit mehreren Hunderttausend Euro pro Stück vergleichsweise teuer - eine Verschwendung im Einsatz gegen die Billig-Drohnen, deren Kosten auf 20.000 Euro pro Stück geschätzt werden. Dieses Missverhältnis könnte die Ukraine nach Expertenmeinung nicht lange durchhalten.
Der von Deutschland gelieferte Luftabwehr-Panzer "Gepard" wiederum könnte beim Abschießen der Drohnen auf günstigere Art und Weise helfen. Er wird aber aufgrund seiner Mobilität an der Front gebraucht. Was kann man also noch gegen die neue Gefahr aus der Luft unternehmen?
Eine mögliche Lösung ist das System Vampire aus den USA. Es handelt sich um ein mobiles System, das auch auf Pickup-Trucks installiert werden kann. Vampire setzt auf kleine Raketen, um Drohnen vom Himmel zu holen. Diese werden mit einem Laser ins Ziel gelenkt und sollen pro Stück etwa 28.000 Euro kosten - damit wären sie etwa in der Preisklasse der Drohnen selbst. Allerdings gilt das System als vergleichsweise wenig erprobt.
Unterstützt werden könnte Vampire von Titan, welches ebenfalls aus den USA an die Ukraine geliefert wird. Das System schießt jedoch nicht selbst, sondern erfasst und analysiert die angreifende Drohne und wählt die besten Methoden zu ihrer Bekämpfung aus. Die Entwickler haben das System dafür mit einem automatischen Entscheidungsmechanismus ausgestattet. Es deckt allerdings nur einen Radius von drei Kilometern ab. Zunächst soll die Ukraine zwölf Stück davon erhalten. Auch Israel hatte angekündigt, der Ukraine beim Aufbau eines Frühwarnsystems zu helfen.
Und Israel könnte bei der Drohnen-Abwehr noch mehr beisteuern, schließlich verfügt es mit dem Iron Dome über ein bewährtes System zur Luftabwehr. Im jüngsten Gaza-Krieg konnten dessen Raketen mehr als 90 Prozent der anfliegenden Raketen abwehren. Und die Kosten liegen pro Abwehrrakete mit geschätzten 50.000 Euro in einem Bereich, der wohl akzeptabel für einen Verteidiger wäre. Allerdings schließt Israel die Lieferung des Iron Domes zuletzt weiter aus, aufgrund "einer Reihe operativer Erwägungen", wie es hieß.
Doch auch die USA und sogar Deutschland haben Hightech-Luftabwehr auf Lager. US-Senatoren hatten bereits im Juli in einem Brief an den Verteidigungsminister unter anderem die Lieferung des C-RAM Systems an die Ukraine gefordert. "C-RAM wird eine kritische Punktverteidigungsfähigkeit gegen Raketen und Drohnen bieten, die auf zivile und militärische kritische Infrastrukturen abzielen", hieß es darin. Es handelt sich bei C-RAM um ein System mit einer Schnellfeuerkanone, das dazu entwickelt wurde, US-Militärbasen im Irak und Afghanistan vor Raketen- und Artilleriegeschossen zu schützen.
Auch die Bundeswehr besitzt ein ähnliches System mit dem Namen MANTIS: Das vom deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall entwickelte Luftabwehr-Geschütz sieht aus wie aus einem "Star Wars"-Film entsprungen und verschießt bis zu 1000 Schuss pro Minute. Es kann laut Bundeswehr Raketen, Artilleriegeschosse und Mörser abwehren, aber auch Drohnen oder Marschflugkörper. Allerdings ist es nicht mobil und deckt nur einen Radius von drei Kilometern ab. Es kann aber auch als reines Frühwarnsystem ohne Geschütze eingesetzt werden.
In der Entwicklung befinden sich in mehreren Ländern zudem Laser-Waffen zur Abwehr von Drohnen. Allerdings ist unklar, wie weit fortgeschritten die Bestrebungen sind. Israel hat seinen Iron Beam zuletzt erfolgreich auch gegen Drohnen getestet. Das System soll jedoch erst ab 2024 ausgeliefert werden. Abgesehen von Israels Zögern bei der Unterstützung der Ukraine käme es damit wohl ohnehin zu spät.
Doch eine andere Technologie soll schneller zur Verfügung stehen: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte angekündigt, das Militärbündnis werde in den kommenden Tagen "Hunderte" von Störsendern zur Drohnenabwehr an die Ukraine liefern. Damit soll die Lenkung der Drohne gestört werden, damit die Drohnen "nicht in einer Stadt runtergehen, sondern auf freiem Feld, wo sie keinen Schaden anrichten", sagte Militärexperte Thomas Wiegold dem Sender Welt. Mit mehreren hundert Störsendern steige "die Chance, einen Großteil dieser Drohnen vom Himmel zu holen".
Natürlich sind noch weitere Gegenmaßnahmen gegen die Drohnen-Gefahr denkbar. Die Ukraine etwa könnte Drohnen-Batterien und Kommandozentralen präventiv angreifen und zerstören, etwa mit den mittlerweile berüchtigten, da sehr präzisen HIMARS-Raketenwerfern. Wenn die Drohnen allerdings von Belarus oder Russland aus gestartet werden, dürfte dies aus politischen Gründen problematisch werden.
Um die ukrainische Luftverteidigung zu stärken, haben NATO-Staaten bereits eilig die Lieferung älterer, aber bewährter Systeme angekündigt: Spanien etwa liefert HAWK-Flugabwehr, deren Entwicklung in die Zeit des Kalten Krieges zurückreicht. Aus Spanien kommt auch das bodengestützte Flugabwehrraketensystem Spada Aspide. Frankreich will der Ukraine das mobile Luftabwehrsystem Crotale liefern, das dort erstmals in den 1970er Jahren eingeführt wurde.
Es wird sich wohl erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen, auf welche Weise die Ukraine der Drohnen-Gefahr am besten begegnet. Womöglich ist es am Ende eine Mischung verschiedener Maßnahmen, die zum Erfolg führt.
(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 19. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de