"Psychologische Kriegsführung"Russland feiert Sieg in Kupjansk, doch eigene Blogger dementieren

Einmal mehr erklärt Moskau die ukrainische Stadt Kupjansk für eingenommen. Doch selbst russische Militärblogger zeichnen ein anderes Bild. Demnach verschlechtert sich die Situation für Putins Verbände in der Stadt.
Trotz anderslautender Einschätzungen von Militärbeobachtern behauptet Russland erneut, die seit Wochen schwer umkämpfte Stadt Kupjansk in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine erobert zu haben. Kupjansk stehe "unter der Kontrolle der Sechsten Russischen Armee", sagte der Sprecher in dem Gebiet stationierten Truppengruppe Sapad, Leonid Scharow, der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. "Kleine Gruppen" ukrainischer Soldaten versuchten "jeden Tag", nach Kupjansk vorzudringen, räumte Scharow ein. Er betonte jedoch, dass "alle Stadtteile unter der Kontrolle der russischen Streitkräfte" stünden.
Die russische Armee hatte die Einnahme von Kupjansk bereits Ende November vermeldet, was von Kiew umgehend zurückgewiesen wurde. Am vergangenen Freitag zeigte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj demonstrativ am Stadtrand. "Viel haben die Russen von Kupjansk gesprochen, wir sehen, wie es ist", sagte der Staatschef in einem Video. Ein Sprecher des ukrainischen Militärs erklärte am Montag, dass Kiews Streitkräfte ihre Operationen in Kupjansk fortsetzten und Russland seine Einheiten in der Stadt nur noch mithilfe von Drohnen mit Nachschub versorgen könne.
Mehrere russische Militärblogger räumten ein, dass sich die Lage für Moskaus Truppen in Kupjansk verschlechtern würde. Laut dem Blog Milinfolive halten russische Truppen lediglich noch einzelne Stellungen im Norden und im Zentrum Kupjansks. Der übrige Teil sei entweder umkämpft oder unter ukrainischer Kontrolle. Der russische Kriegspropagandist Juri Podoljaka schrieb auf Telegram, die Lage für Moskaus Truppen im Westen der Stadt verschlechtere sich rapide. Auch der Online-Kartendienst Deepstate sowie das Datenteam von ntv.de verzeichnen in den vergangenen Tagen deutliche Geländegewinne für die ukrainische Armee in der Gegend.
"Der Kreml nutzt Behauptungen über Vorstöße in und um Kupjansk für seine psychologische Kriegsführung", schreibt die US-Denkfabrik Institute for the Study of War zu den russischen Erfolgsmeldungen. Ziel sei es, die ukrainischen Verteidigungslinien als kurz vor dem Zusammenbruch darzustellen, in der Hoffnung, der Westen gebe den Forderungen Moskaus nach. Kupjansk stand nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 für knapp sieben Monate unter russischer Kontrolle. Die Stadt mit vor dem Krieg rund 27.000 Einwohnern ist inzwischen weitgehend zerstört.