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Entlassungswelle in der Armee Russland stellt weitere Top-Militärs kalt

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Verteidigungsminister Schoigu (M) bei einer Lagebesprechung.

Verteidigungsminister Schoigu (M) bei einer Lagebesprechung.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Nach den Generälen Popow und Seliverstow befördert Russlands Verteidigungsminister Schoigu offenbar weitere Top-Kommandeure aufs Abstellgleis. Damit will der Putin-Vertraute offensichtlich seine Macht festigen. Die Maßnahme könnte die Truppen in der Ukraine allerdings "erheblich demoralisieren", mutmaßen US-Experten.

Die Entlassungswelle innerhalb der russischen Streitkräfte weitet sich offenbar aus. Nach der Abberufung des Befehlshabers der 58. Armee, Generalmajor Iwan Popow, und des Befehlshabers der 106. Garde Luftlande-Division, Generalmajor Wladimir Seliverstow, sind wohl weitere Top-Kommandeure ihre Posten los.

"Das russische Verteidigungsministerium hat damit begonnen, Kommandeure aus einigen der kampfstärksten Einheiten und Formationen des russischen Militärs zu entfernen, und scheint diese Bemühungen zu beschleunigen", schreibt die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) in ihrem aktuellen Lagebericht. Die in der Ukraine kämpfenden russischen Truppen könnten so "erheblich demoralisiert" werden, heißt es weiter.

Das Institut verweist auf russische Quellen, laut denen die Militärführung kürzlich auch den Befehlshaber der 7. Garde Luftlande-Division, Generalmajor Alexander Kornew, gefeuert haben soll. Zudem hätten die Behörden den Befehlshaber der 90. Panzerdivision, Generalmajor Ramil Ibatullin, festgenommen. Russische Kriegsblogger spekulieren, dass auch der Befehlshaber der 31. Garde-Luftangriffsbrigade, Oberst Sergei Karasew, und der Kommandeur der Luftlandetruppen, Generaloberst Michail Teplinski, vor dem Aus stehen könnten.

Dem ISW zufolge sind die betroffenen Einheiten an wichtigen Frontabschnitten in der Ukraine stationiert. Demnach hält die 58. Armee der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Saporischja stand, während die 106. Garde Luftlande-Division an den Flanken von Bachmut operiert. Elemente der 7. Garde Luftlande-Division sollen in der Region Cherson nahe der Antoniwkabrücke stationiert sein, wo ukrainische Truppen einen Brückenkopf errichtet haben. Die 1. Garde-Luftangriffsbrigade ist den Angaben zufolge ebenfalls im Raum Bachmut aktiv, während Einheiten der 90. Panzerdivision begrenzte Angriffe westlich von Kreminna in der Region Luhansk führen.

"Die gemeldeten Entlassungen und Verhaftungen von Kommandeuren, die kampfstarke Einheiten und Formationen anführen, stehen offenbar im Zusammenhang mit Fällen von Ungehorsam", schreiben die US-Experten. In einer veröffentlichten Audiobotschaft hatte Popow nach seiner Absetzung erklärt, er sei wegen seiner Kritik an der ineffizienten Kriegsführung seines Postens enthoben worden. Einige russische Kriegsblogger gehen davon aus, dass auch Seliverstow und Kornew Kritik geäußert haben.

Schuld an der Führungskrise ist dem ISW zufolge auch der russische Präsident Wladimir Putin. Der Kremlchef ignoriere konsequent die etablierte Befehlskette in der Hoffnung, schnelle Erfolge auf dem Schlachtfeld zu erzielen. Damit schmälere er aber die Autorität von Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. "Putin hat ein Umfeld geschaffen, in dem Militärangehörige, Beamte und sogar russische Kriegsblogger Schoigu und Gerassimow umgehen", schreibt das ISW.

Die US-Experten sehen die Entlassungswelle daher als einen Versuch von Schoigu und Gerassimow, die Kontrolle über das Militär zu behalten. Doch die Abberufungen gefährden Erfolge auf dem Schlachtfeld. "Die offensichtliche Krise in der russischen Befehlskette und die entsprechenden Auswirkungen auf die Moral werden wahrscheinlich die russischen Fähigkeiten zur Durchführung taktischer Offensivoperationen beeinträchtigen, die für die elastische Verteidigung Russlands in der Südukraine von entscheidender Bedeutung sind", so das ISW.

Quelle: ntv.de, jpe

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