Berichte aus Österreich SPD soll Sarrazin ausgeschlossen haben
23.01.2020, 11:49 Uhr
Thilo Sarrazin war von 2002 bis 2009 Berliner Finanzsenator.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ist er noch drin oder nicht? Die österreichische Nachrichtenagentur APA meldet, Thilo Sarrazin sei aus der SPD ausgeschlossen worden. Er selbst weiß von nichts, wie er ntv sagt. Die Berliner SPD wirkt zunächst ebenfalls überrascht. Dann gibt es eine Teilbestätigung.
Das Landesschiedsgericht der Berliner SPD soll den früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin aus der Partei ausgeschlossen haben. Das meldet die österreichische Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf Parteikreise. Demnach fiel die Entscheidung am Mittwochabend. Eine besondere Rolle haben dem Vernehmen nach Sarrazins jüngstes Buch "Feindliche Übernahme" sowie der Auftritt des SPD-Mitglieds auf einer Veranstaltung der FPÖ im Europawahlkampf gespielt. Auf ntv.de-Anfrage gab die Berliner SPD am frühen Nachmittag bekannt, dass die Schiedskommission tatsächlich eine Entscheidung getroffen hat, die nun den Verfahrensbeteiligten per Kurier zugestellt wird. Am Vormittag hatte sich der Verband noch überrascht von dem Medienbericht gezeigt.
Sarrazin selbst wusste zunächst ebenfalls nicht mehr, wie er ntv am Vormittag sagte. "Mir liegen noch keine Informationen oder ein Urteil der Landesschiedskommission vor", sagte er. Er wolle nun die Begründung abwarten. "Sollte ein Ausschluss beschlossen sein, werde ich bei der Bundesschiedskommission Berufung einlegen." Später teilte er über seinen Anwalt mit, dass er "in Ruhe und Gelassenheit die Entscheidung" abwarte.
Sarrazin war im März 2019 an einem Diskussionsabend der Freiheitlichen Akademie Wien aufgetreten. Anwesend war unter anderem der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Auf der Veranstaltung hatte Strache laut dem österreichischen "Standard" unter anderem davon gesprochen, dass in Wiener Kindergärten "Kinder zu Märtyrern erzogen werden sollen". Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) zeigte ihn daraufhin an. Die FPÖ wies als Reaktion darauf auf das hohe Gut der freien Rede hin.
SPD spricht von Rassismus
Sarrazin hatte noch Anfang Januar in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur gesagt, dass er nicht an einen Parteirauswurf glaubt. "Ich habe wissenschaftliche Sachbücher geschrieben", sagte der 74-Jährige über seine umstrittenen Thesen, die er unter anderem in "Feindliche Übernahme" aufstellt. Bisher habe niemand aus der SPD-Führung belegen können, was daran sachlich falsch sei.
Die Verhandlung vor dem Landesschiedsgericht war bereits das Berufungsverfahren in dem Fall. In erster Instanz war das Gericht des SPD-Kreisverbandes im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Sarrazin Mitglied ist, dem Antrag der SPD-Spitze gefolgt. Seine Thesen seien rassistisch und hätten der Partei schweren Schaden zugefügt. Sarrazin wies das zurück und legte Berufung ein.
Sarrazin steht seit vielen Jahren wegen migrationskritischer Äußerungen in seinen Büchern in der Kritik. So sprach er mit Blick auf muslimische Zuwanderer schon 2009 von Menschen, "die ständig neue Kopftuchmädchen produzieren". 2018 schrieb er, die "religiös gefärbte kulturelle Andersartigkeit der Mehrheit der Muslime" und deren steigende Geburtenzahlen gefährdeten die offene Gesellschaft, Demokratie und den Wohlstand hierzulande. Integration sei kaum möglich.
Quelle: ntv.de, chr