Beliebt bei Linken und AfD Sahra Wagenknecht träumt von eigener Partei
21.10.2022, 17:05 Uhr
Vom einstigen Linken-Idol zum leuchtenden Stern am AfD-Himmel: Sahra Wagenknecht genießt derzeit die Gunst rechtskonservativer Wähler.
(Foto: picture alliance / photothek)
Zwischen Phänomen und Paradoxon: Sahra Wagenknecht ist nach einer Reihe umstrittener Äußerungen zum Ukraine-Krieg bei vielen Parteigenossen in Ungnade gefallen. Stattdessen wird sie von AfD-Anhängern bejubelt. Die Zutaten für eine neue Partei?
Die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht zieht die Gründung einer eigenen Partei in Erwägung. "Ich wünsche mir, dass in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Regierung verändern kann", sagte sie bei Bild TV. Einschränkend fügte sie hinzu, es sei "nicht so einfach, eine Partei zu gründen". Aus dem Parteivorstand wurden neuerliche Überlegung zu einer Spaltung der Bundestagsfraktion laut.
Sie wolle an einer Veränderung der Politik mitwirken, sagte die frühere Fraktionschefin der Linken im Bundestag. "Unser Land verändert sich zurzeit sehr, sehr stark. Wenn man die Ampel nicht stoppt, habe ich große Sorgen, in welchen Verhältnissen wir in ein, zwei Jahren aufwachen werden."
Die Ampel-Koalition betreibe eine "wirklich katastrophale Politik", kritisierte Wagenknecht. Hunderttausende Arbeitsplätze seien in Gefahr, "weil die Ampel eine völlig unsinnige Politik macht, uns abklemmt von billigen Rohstoffen, von billiger Energie, ohne Alternativen zu haben". Die Industrie sei das Rückgrat des Wohlstands, sagte Wagenknecht. "Wenn das kaputtgeht, dann bricht hier alles weg. Deswegen muss es mehr Druck geben auf diese Regierung, dass sie so nicht weitermachen darf."
Wagenknecht nennt Grüne "gefährlichste Partei"
Im Bundestag bezeichnete Wagenknecht die Grünen als "die gefährlichste Partei" und löste damit erneut Wirbel in den eigenen Reihen. Widerspruch kam unter anderem von Fraktionschef Dietmar Bartsch: "Die gefährlichste im Bundestag vertretene Partei ist und bleibt die AfD."
Wagenknecht hatte erst vor wenigen Wochen mit einer Rede im Bundestag zur Ukraine-Politik Protest bei vielen ihrer Genossen geerntet. Darin warf die frühere Fraktionschefin der Bundesregierung vor, einen Wirtschaftskrieg gegen Russland "vom Zaun zu brechen". Ihre Kritiker monierten, sie verkehre Ursache - den russischen Angriff auf die Ukraine - und Folge - die Sanktionen.
Jetzt sagte Wagenknecht in einer ihrer regelmäßigen Videobotschaften: "Für mich sind die Grünen die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben."
30 Prozent ziehen Wahl von Wagenknecht-Partei in Erwägung
Zu ihren hohen Zustimmungswerten sowohl unter Anhängern der Linkspartei als auch der AfD sagte Wagenknecht, viele Bürger wüssten nicht mehr, was sie wählen sollten, weil sie sich von keiner Partei mehr vertreten fühlten.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA von September können sich 30 Prozent der Wahlberechtigten vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen. 66 Prozent der derzeitigen Linkspartei-Wähler und auch 63 Prozent der AfD-Wähler fänden es gut, wenn eine solche Partei zur nächsten Bundestagswahl antreten würde.
Wagenknecht hatte zuletzt mit ihrer umstrittenen Bundestagsrede für Kontroversen gesorgt, in der sie der Bundesregierung vorgeworfen hatte, einen "beispiellosen Wirtschaftskrieg" gegen Russland vom Zaun gebrochen zu haben. Das hatte für Kritik der Parteiführung gesorgt und zu Austritten geführt.
Parteiführung könnte Wagenknechts Plan durchkreuzen
Das baden-württembergische Vorstandsmitglied Luigi Pantisano schlug nun im "Spiegel" vor, nicht Wagenknecht, sondern ihre Kontrahenten sollten die Fraktion verlassen. "Die Parteiführung darf nicht dabei zusehen, wie Politikerinnen und Politiker in Ämtern die Strukturen nutzen, um eine Konkurrenzpartei aufzubauen", sagte er. Mit welchem Mitteln dies getan werde, müsse geprüft werden. So könnten etwa jene Abgeordneten, die entlang der Beschlusslage der Partei agieren, die Fraktion verlassen. "Dann könnten wir als Parteivorstand diese Gruppe als parlamentarische Vertretung der Linken anerkennen."
In diesem Fall hätte dann aber wahrscheinlich weder das Wagenknecht-Lager noch das der Parteiführung genügend Abgeordnete, um den Status einer Fraktion zu erlangen. Das wäre mit Einschnitten für die Arbeit im Bundestag verbunden.
Quelle: ntv.de, bek/AFP/dpa