"Colonia Dignidad" in Chile Sektenarchive werden zum Nationalerbe
24.06.2016, 02:52 Uhr
Unscheinbar: das Tor zur Hölle. (Aufnahme aus den 1980er-Jahren)
(Foto: picture alliance / dpa)
Anfang der 1960er-Jahre wandert ein deutscher Arzt nach Chile aus und gründet dort die berüchtigte Siedlung "Colonia Dignidad". Auf dem abgesperrten Sektengelände findet Unaussprechliches statt, in den Zeiten der chilenischen Diktatur mit Rückendeckung von ganz oben.
Chile hat die Archive der berüchtigten deutschen Sektensiedlung "Colonia Dignidad" wegen deren Bedeutung zur Aufarbeitung der Militärdiktatur zum nationalen Erbe erklärt. In einem Beschluss des chilenischen Denkmalrates heißt es, die Akten dokumentierten die Menschenrechtsverletzungen der Sektenführung seit der Gründung 1961 sowie deren Verwicklung in Repressionen gegen Regimegegner während der Diktatur (1973 bis 1990). Auf dem Gelände der Siedlung, rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile, wurden während der Diktatur Augusto Pinochets Oppositionelle gefoltert.
Der Sektenanführer Paul Schäfer, ein Anfang der 1960er Jahre nach Chile ausgewanderter deutscher Arzt, wurde 2006 unter anderem wegen Kindermissbrauchs zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Er starb 2010 im Gefängnis. Die beschlagnahmten Akten der "Colonia Dignidad" nehmen 23 Regalmeter ein. Die Geschichte der Sektensiedlung wurde jüngst auch mit Daniel Brühl und Emma Watson in den Hauptrollen verfilmt.
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte Ende April seine Akten zur "Colonia Dignidad" vorzeitig für die Öffentlichkeit freigegeben. Normalerweise wäre das Material noch bis zu zehn Jahre unter Verschluss geblieben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte dazu, die deutsche Diplomatie habe zu wenig unternommen, um den Opfern der "Colonia Dignidad" zu helfen. Auf dem Gelände gibt es heute noch eine Siedlung, die den Namen "Villa Baviera" trägt.
Quelle: ntv.de, jve/dpa