Angriff bei Cherson verhindern? Staudamm-Sprengung könnte "teuflischem Kalkül" folgen
06.06.2023, 11:32 Uhr Artikel anhören
Sowohl die Ukraine als auch Russland geben sich gegenseitig die Schuld für die Sprengung des Kachowka-Staudamms. Wer dahintersteckt, ist bislang unklar. Eine Theorie ist, dass Russland damit versuche, amphibische Angriffe der Ukrainer zu stoppen, sagt Militärexperte Reisner ntv.de.
Nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms fluten Wassermassen große Teile von Cherson. Laut dem Militärexperten Markus Reisner könnte der Dammbruch einen militärischen Hintergrund haben. Am Vortag habe es Gerüchte von ukrainischen Landungsversuchen südlich von Cherson gegeben, sagte Oberst Reisner ntv.de. Dies würde die Sprengung des Staudammes aus russischer Sicht erklären.
Moskau könnte versuchen, durch massive Überflutung die Dnipro-Mündung und den Raum südlich von Cherson für militärische Operationen unbrauchbar zu machen. Dadurch werde eine umfangreiche militärische Anlandung der Ukrainer verhindert, die offenbar versucht haben, in kleinen Gruppen amphibisch - also vom Wasser aus - im Süden von Cherson vorzustoßen. Um das zu verhindern, "nimmt man mit teuflischem Kalkül weiträumige Zerstörungen und Opfer in Kauf", so Reisner.
Auch der Leiter der Verwaltung von Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt Russland die Schuld für den Angriff. Die Zerstörung des Staudamms sei ein Versuch Moskaus, den Einsatz bei seiner groß angelegten Invasion zu erhöhen und die Angst vor einer nuklearen Katastrophe zu schüren. Russland habe offensichtlich das Ziel, unüberwindbare Hindernisse für die geplante ukrainische Großoffensive zu schaffen, schrieb Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf Twitter. Dies sei der Versuch, das Ende des Krieges hinauszuzögern, und ein vorsätzliches Verbrechen.
"Auf einem riesigen Territorium wird alles Leben zerstört", schrieb Podoljak. "Viele Ortschaften werden zerstört; der Umwelt wird enormer Schaden zugefügt." Das Gebiet sei zum größten Teil von russischen Truppen besetzt, sie würden demnach auch das Kraftwerk und damit den Füllstand im Stausee kontrollieren. Die Gebietshauptstadt Cherson ist unter ukrainischer Kontrolle. Umgesetzt wurde die Sprengung des Wasserkraftwerks laut Podoljak von der 205. Schützeneinheit der russischen Armee.
Moskau wiederum gab Kiew die Schuld. Die Überflutungen hätten zudem auch für die Russen schwere Auswirkungen, sagte Militärexperte Michael Kofman vergangenen Monat im Podcast "War on the Rocks". Die Sprengung des Damms würde die russisch besetzte Seite von Cherson viel schlimmer fluten, als die ukrainische. "Die Zerstörung des Staudamms würde bedeuten, dass sich Russland im Grunde selbst in den Fuß schießt", so Kofman.
Quelle: ntv.de, vmi