Lage in Idlib spitzt sich zu Syrische Armee tötet fünf türkische Soldaten
10.02.2020, 17:34 Uhr
Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in Syrien.
(Foto: AP)
Die vereinbarte Deeskalationszone in Idlib scheint zu zerfallen. Die syrische Armee greift türkische Stellungen an, die Türkei schießt zurück. Augenzeugenberichten zufolge rüstet die Türkei sich jetzt für eine militärische Konfrontation.
Bei einem Angriff der syrischen Armee in der umkämpften nordwestsyrischen Region Idlib sind nach Angaben aus Ankara fünf türkische Soldaten getötet worden. Fünf weitere Türken seien durch den Artilleriebeschuss auf türkische Stellungen verletzt worden, gab das türkische Verteidigungsministerium bekannt. Die türkischen Truppen hätten zurückgeschossen. Nach UN-Angaben treibt die militärische Eskalation in Nordsyrien immer mehr Menschen in die Flucht. Fast 700.000 Menschen flüchteten demnach seit Dezember aus der letzten Rebellenhochburg Syriens.
Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Fahrettin Altun, schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, die türkische Armee habe Vergeltung geübt, um "alle feindlichen Ziele zu zerstören und unsere gefallenen Soldaten zu rächen". Mit Blick auf Syriens Machthaber Baschar al-Assad fügte er hinzu: "Der Kriegsverbrecher, der den heutigen abscheulichen Angriff angeordnet hat, hat die ganze internationale Gemeinschaft angegriffen, nicht nur die Türkei."
Vergangene Woche hatte ein syrischer Beschuss türkischer Stellungen in Nordwestsyrien zu einer Eskalation zwischen den beiden Seiten geführt. Acht Türken waren durch die syrischen Angriffe getötet worden. Die Regierung in Ankara hatte im Falle eines erneuten Angriffes mit harter Vergeltung gedroht.
Fast 700.000 Menschen fliehen vor der Gewalt
Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte erhöhte sich zudem die Zahl der in den vergangenen 24 Stunden durch syrische und russische Luftangriffe getöteten Zivilisten auf 29. Unter ihnen seien sechs Kinder, teilte die Beobachtungsstelle mit. Sie seien bei von Russland unterstützten Angriffen der syrischen Armee auf das Dorf Abin Semaan in der Provinz Aleppo getötet worden. Zunächst war von insgesamt fünf zivilen Todesopfern die Rede gewesen.
Angesichts der Gewalt flohen unzählige Familien aus dem Nordwesten Syriens Richtung Norden. "Die Zahl der Menschen, die durch diese Krise vertrieben werden, gerät jetzt außer Kontrolle", sagte der Sprecher des UN-Büros für humanitäre Hilfe (Ocha), der Nachrichtenagentur AFP. 689.000 Menschen seien in den vergangenen Wochen vor der Gewalt in Idlib und Aleppo geflohen.
Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in Syrien, wo seit fast neun Jahren ein Bürgerkrieg herrscht. Die Region wird von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) kontrolliert. Seit Dezember gehen die syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung Moskaus militärisch verstärkt gegen die überwiegend islamistischen und dschihadistischen Milizen in der Provinz vor. Syriens Machthaber Assad ist entschlossen, das Gebiet wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Die benachbarte Türkei, welche die Assad-Gegner unterstützt, hält dort zwölf Beobachtungsposten.
Die Türkei macht sich kampfbereit
Augenzeugen berichteten am Montag, dass die türkische Armee und die von ihr unterstützte Nationale Befreiungsfront sich auf Kämpfe mit syrischen Truppen vorbereiten. Die Türkei hatte dort zuvor ihre Beobachtungsposten verstärkt und gepanzerte Fahrzeuge, Munition sowie schwere Waffen geliefert. Einem Bericht der Nachrichtenagentur DHA zufolge wurden die Posten mit Panzern und Raketenwerfern verstärkt. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden in vergangenen Tagen 6000 türkische Soldaten und 1400 Fahrzeuge nach Idlib und in die Gegend um Aleppo gebracht.
Eigentlich hatte die Türkei sich mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung auf eine Deeskalationszone für Idlib geeinigt. Diese Abmachung scheint mit dem zunehmenden Vormarsch der syrischen Armee nichtig, die in der Region eigenen Angaben zufolge zuletzt die Kontrolle über 600 Quadratkilometer zurückgewann. Der Vormarsch hat bei der Türkei, die bereits Millionen syrische Flüchtlinge beherbergt, Besorgnis ausgelöst.
Seit Samstag hält sich eine russische Delegation zu Gesprächen über die Situation in Idlib in Ankara auf. Für Montag wurde die Fortsetzung der Gespräche erwartet.
Quelle: ntv.de, lgr/dpa/AFP