"Nach Truppenabzug zivile Flüge" Taliban versprechen Ortskräften die Ausreise
25.08.2021, 18:18 Uhr
Deutschland verhandelt mit den neuen Machthabern in Afghanistan. Ob sie ihre Zusagen halten, ist ungewiss.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Bundesregierung ist massiv unter Druck, weil Tausende afghanische Helfer in Kabul festsitzen. Nun versprechen die Taliban dem Chefdiplomaten des Auswärtigen Amtes, dass nach dem Abzug aller Truppen zivile Flüge für Ortskräfte möglich sein werden. Doch Zweifel sind angebracht.
Die militant-islamistischen Taliban haben in den Verhandlungen mit der Bundesregierung zugesagt, dass Afghanen auch nach dem für den 31. August geplanten US-Truppenabzug das Land verlassen dürfen. Das twitterte der deutsche Verhandlungsführer Markus Potzel am Nachmittag nach Gesprächen mit dem Vizechef des politischen Büros der Taliban in Katar, Schir Mohammed Abbas Staneksai. Dieser habe ihm versichert, dass Afghanen mit gültigen Ausweisdokumenten nach dem 31. August weiterhin die Möglichkeit haben werden, mit kommerziellen Flügen auszureisen.
Der Truppenabzug der USA bedeutet ein Ende der Evakuierungsflüge der Bundeswehr schon in den nächsten Tagen. Potzel verhandelt mit den Taliban darüber, wie es danach weitergehen kann. Die Bundesregierung will weiterhin deutsche Staatsbürger und schutzbedürftige Afghanen mit zivilen Flügen von Kabul aus außer Landes bringen. Es geht um mehrere Tausend Menschen. Laut dem Auswärtigen Amt befinden sich derzeit außerdem noch rund 100 Deutsche in Kabul.
Der Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, Suhail Schahin, schrieb unter Bezugnahme auf das Treffen mit Potzel auf Twitter, der fristgerechte Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan ebne die Wiederaufnahme ziviler Flüge. Menschen mit rechtmäßigen Dokumenten könnten nach dem 31. August mit kommerziellen Flügen reisen.
Kehrtwende zum Ausreisestopp für Fachkräfte
Ob bedrohte Bundeswehr-Helfer nach dieser Zusicherung tatsächlich aufatmen können, ist allerdings ungewiss. Erst am Vortag hatte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid in seiner zweiten Pressekonferenz seit der Machtübernahme einen Ausreisestopp für afghanische Staatsbürger angekündigt. Derzeit verließen viele gebildete Afghanen und Fachkräfte das Land. Man brauche diese aber, um Afghanistan wieder aufzubauen.
Der afghanischen Bevölkerung versprach Mudschahid, dass Banken, Regierungsinstitutionen, Schulen und Universitäten demnächst wieder öffnen würden. Man garantiere den Beamten der Ministerien ihre Sicherheit, sie hätten nichts zu befürchten. Für weibliche Angestellte der Behörden arbeite man noch an genauen Regeln. Sie könnten erst an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, wenn diese Regeln stünden, würden aber bis dahin weiter bezahlt.
Am Freitag hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über "standrechtliche Hinrichtungen" durch die Taliban informiert. Bei den mutmaßlichen Opfern handele es sich um frühere afghanische Regierungsmitarbeiter und Sicherheitskräfte, sagte die Vizedirektorin für HRW in Asien, Patricia Gossman, in einer Online-Schalte mit Journalisten. Das Ausmaß sei noch unklar. Viele dieser Vorfälle fänden den Erkenntnissen zufolge außerhalb der Hauptstadt Kabul in den afghanischen Provinzen statt. Die Taliban hatten nach ihrer Machtübernahme eigentlich eine Amnestie zugesagt. Laut einem für die Vereinten Nationen erstellten Bericht suchen die Taliban außerdem gezielt nach vermeintlichen Kollaborateuren. Sie drohen auch offen mit Repressalien für deren Familienmitglieder.
Quelle: ntv.de, mau/dpa