Politik

"Wir können die Panik verstehen" Taliban wollen Gewalttaten untersuchen

Zumindest verbal geben sich die Taliban gemäßigter als früher. Ob es dabei bleibt, ist völlig unklar.

Zumindest verbal geben sich die Taliban gemäßigter als früher. Ob es dabei bleibt, ist völlig unklar.

(Foto: AP)

Eine der großen Fragen in Afghanistan ist derzeit, wie die Taliban nun einzuschätzen sind. Wie viel Gewalt droht von ihnen? Einer ihrer Vertreter versucht nun erneut zu beschwichtigen. Er kündigt sogar Untersuchungen etwaiger Gräueltaten an.

Knapp eine Woche nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan sagen die Taliban eine Untersuchung von Gewalttaten aus ihren Reihen und rasche Klarheit über die künftige Regierungsform zu. Binnen Wochen solle ein Rahmenplan vorliegen, wie das Land künftig geführt werden solle, sagte ein Vertreter der radikalislamischen Gruppierung. Zugleich betonte er, die Taliban würden die Verantwortung für etwaige Vergeltungsakte und Gräueltaten übernehmen, falls diese von eigenen Kämpfern verübt worden seien.

Die Islamisten-Miliz war am Sonntag ohne größere Kampfhandlung in die Hauptstadt Kabul einmarschiert, nachdem sie zuvor in Windeseile die anderen Landesteile übernommen hatte. Seitdem versuchen westliche Länder händeringend, ihre Landsleute und von Verfolgung bedrohte Afghanen mit Evakuierungsflügen außer Landes zu bringen. Am Flughafen in Kabul herrschte Chaos. Tausende von Menschen bemühten sich verzweifelt, Plätze in den Flugzeugen zu ergattern. Bewaffnete Taliban-Kämpfer drängten Menschen ohne Reisedokumente dazu, nach Hause zurückzukehren.

Afghanische Bürger sowie internationale Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen hatten zuletzt von harten Vergeltungsakten gegen Anti-Taliban-Proteste berichtet. Außerdem soll es Versuche geben, Menschen dingfest zu machen, die Regierungsposten bekleidet, die Taliban kritisiert oder für die Amerikaner gearbeitet haben. Demnach fürchten ganze Familien um ihr Leben und verstecken sich vor Bewaffneten, die von Haus zu Haus unterwegs sind.

"Westen hätte für Evakuierung sorgen müssen"

Der Taliban-Vertreter sagte dazu: "Wir haben von einigen Fällen von Gräueltaten und Verbrechen an Zivilisten gehört." Sollten Taliban-Angehörige dafür verantwortlich sein, werde dies untersucht. "Wir können die Panik, den Stress und die Angst verstehen." Eine Verantwortung der Taliban an dem Chaos am Flughafen wies er zurück. "Der Westen hätte für einen besseren Evakuierungsplan sorgen müssen", sagte er.

Von 1996 bis 2001 hatten die Taliban Afghanistan mit harter Hand regiert, bevor sie von den US-Truppen und deren Verbündeten nach den Anschlägen des 11. September gestürzt wurden. Die künftige Regierungsform solle keine Demokratie nach westlichem Vorbild sein, sagte der Taliban-Vertreter. Aber es sollten "die Rechte von allen geschützt" werden, betonte er. "Juristen, Geistliche und Außenpolitik-Experten innerhalb der Taliban streben an, den neuen Rahmenplan zur Regierung in den nächsten Wochen zu präsentieren."

Westliche Regierungen hatten erklärt, für sie sei der Fall Kabuls vollkommen überraschend gekommen. US-Präsident Joe Biden wies Kritik am Truppenabzug seines Landes zurück. Er könne nicht erkennen, dass Alliierte die Glaubwürdigkeit der USA infrage stellen, sagte er. "Wir halten uns an das, was wir angekündigt haben." Für jede Zusammenarbeit mit den Taliban werde es harte Bedingungen geben. "Das wird abhängen davon, wie sie mit Frauen und Mädchen umgehen, wie sie mit ihren Bürgern umgehen", sagte Biden. Er betonte, jeder Amerikaner, der dies wolle, werde in Sicherheit gebracht.

Quelle: ntv.de, vpe/rts

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