Hunderte Zivilisten bereits tot Tausende im Sudan flüchten vor dem Krieg
19.04.2023, 21:56 Uhr Artikel anhören
Den Menschen in der Hauptstadt gehen die Nahrungsmittel aus.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Trotz einer verabredeten Waffenruhe zwischen der Armee und Paramilitärs sind laut Augenzeugen Schüsse in Khartum zu hören. Die Kämpfe in den letzten Tagen haben viele Menschen das Leben gekostet. Die Situation für Zivilisten spitzt sich immer weiter zu.
Wegen der schweren Kämpfe im Sudan sind tausende Menschen aus der Hauptstadt Khartum geflohen. Laute Explosionen und heftige Gefechte waren in der Stadt zu hören. Augenzeugen berichteten von Leichen auf den Straßen. Regierungen anderer Länder begannen mit Planungen, ihre Mitarbeiter aus dem Sudan in Sicherheit zu bringen. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sagte, die UNO habe "Berichte über Angriffe und sexuelle Gewalt gegen humanitäre Helfer" erhalten. Tausende Ausländer sind noch vor Ort, darunter viele UN-Mitarbeiter.
In dem nordostafrikanischen Land liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz seit Samstag erbitterte Kämpfe. Zuvor war eine Einigung zur Eingliederung der RSF in die Armee gescheitert. Am Mittwoch waren RSF-Kämpfer auf gepanzerten Fahrzeugen und Pick-ups voll beladen mit schweren Waffen und Munition in Khartum zu sehen. Armee-Kampfflugzeuge wiederum überflogen die Stadt und feuerten auf RSF-Stellungen, wie Augenzeugen berichteten. Für die in ihren Wohnungen festsitzenden Zivilisten wurde die Lage zunehmend hoffnungslos: Die Nahrungsmittelvorräte schwinden, der Strom fällt aus, Trinkwasser fehlt.
Die Aussicht auf eine Evakuierung der Menschen am Dienstag war zerstört worden, nachdem eine humanitäre Feuerpause nur Minuten nach ihrem Inkrafttreten wieder gebrochen worden war. Viele Zivilisten nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand und flüchteten in Autos oder zu Fuß aus der Stadt, darunter viele Frauen und Kinder. Sie berichteten, die Straßen von Khartum seien mit Leichen übersät. Der Verteidigungsminister des Nachbarlands Tschad, Daoud Yaya Brahim, teilte mit, etwa 320 sudanesische Soldaten seien in sein Land geflohen und hätten ihre Waffen abgegeben.
Hunderte Zivilisten sind bereits tot
Die RSF-Miliz und die Armee erklärten sich am Mittwoch "zu einer umfassenden Waffenruhe" ab 18.00 Uhr und für 24 Stunden bereit. Doch auch zu der verabredeten Zeit waren Zeugen vor Ort zufolge überall in Khartum noch Schüsse zu hören. Japan gab bekannt, dass sein Verteidigungsministerium mit den "nötigen Vorbereitungen" begonnen habe, um etwa 60 Japaner aus dem Sudan in Sicherheit zu bringen, darunter auch Mitarbeiter der japanischen Botschaft.
Durch die Kämpfe seit Samstag sind nach Schätzungen der US-Botschaft mehr als 270 Zivilisten getötet worden. Die tatsächliche Opferzahl dürfte aber weit höher liegen. Viele Verletzte schaffen es wegen der Gefechte nicht in ein Krankenhaus, von 59 Kliniken sind nach Angaben von Ärzten knapp 40 nicht nutzbar.
Streit über Eingliederung von Paramilitärs in die Armee
Die Kämpfe sind das Ergebnis eines tiefen Risses zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF, die 2013 von dem - später von Armee und RSF gemeinsam gestürzten - Langzeit-Herrscher Omar al-Baschir gegründet worden waren. Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Anführer Mohamed Hamdan Daglo waren seit der Machtübernahme 2019 Verbündete, trotz mancher Spannungen. Im Oktober 2021 führten beide auch den Militärputsch gegen die zivile Regierung an, wodurch der international unterstützte Übergang zur Demokratie gestoppt wurde.
Daglo, genannt Hemedti, nennt den Putsch inzwischen einen "Fehler", während al-Burhan weiter daran festhält. Am Samstag dann brachen heftige Kämpfe zwischen den einstigen Verbündeten aus. Die internationale Gemeinschaft hat beide Seiten aufgerufen, diese sofort einzustellen. Auslöser der Kämpfe waren Streitigkeiten über die geplante Eingliederung der RSF-Miliz in die Armee. Dies gilt als zentraler Schritt bei dem Vorhaben, die Macht wieder an eine zivile Regierung zu übertragen.
Quelle: ntv.de, rog/AFP