Politik

Kämpfe im Norden des Irak Trump will "nicht Partei ergreifen"

Vormarsch im Nordirak: Einheiten der irakischen Armee rücken in die von Kurden kontrollierte ölreiche Region vor.

Vormarsch im Nordirak: Einheiten der irakischen Armee rücken in die von Kurden kontrollierte ölreiche Region vor.

(Foto: REUTERS)

Die Kämpfe im Nordirak bringen den Westen in eine heikle Lage: Können die USA und Europa in diesem Konflikt neutral bleiben? Eine Eskalation, heißt es, könnte dem IS in die Hände spielen. US-Präsident Trump bemüht sich um eine eigene Linie.

Die US-Regierung und Vertreter der Europäischen Union haben an die Konfliktparteien im Irak appelliert, die Gewalt zu beenden und zu einem friedlichen Miteinander zurückzukehren. Eine klare, gemeinsame Strategie ist dabei bislang nicht zu erkennen. Sowohl die Kurden als auch der Irak sind für den Westen wichtige Verbündete im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS).

Vormarsch auf Kirkuk: Die 600.000-Einwohner Stadt liegt rund 240 Kilometer nördlich von Bagdad.

Vormarsch auf Kirkuk: Die 600.000-Einwohner Stadt liegt rund 240 Kilometer nördlich von Bagdad.

(Foto: n-tv.de / stepmap.de)

"Wir werden nicht Partei ergreifen", sagte US-Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz in Washington. Die USA hätten "sehr gute Beziehungen" sowohl mit der Zentralregierung im Irak als auch im den Kurden. "Wir hätten niemals dort sein sollen", fügte Trump mit Bezug auf den Einmarsch von US-Truppen im Irak 2003 hinzu. "Aber wir werden nicht Partei nehmen."

Die USA seien sehr besorgt über die Lage im Irak, bestätigte Außenministeriumssprecherin Heather Nauert. "Wir beobachten die Situation genau und rufen alle Parteien auf, ihre militärischen Aktivitäten zu koordinieren und die Ruhe wiederherzustellen", sagte Nauert. Beide Seiten sollten jegliche Provokationen vermeiden, die von den "Feinden des Iraks" ausgenutzt werden könnten, um das Land zu destabilisieren, warnte sie. Die Spannungen zwischen der Zentralregierung und den Kurden würde vom Kampf gegen die Terrormiliz ablenken, so Nauert weiter.

Chance für die "Feinde des Irak"

Einheiten der irakischen Armee waren zu Wochenbeginn in die strategisch wichtige Stadt Kirkuk im Norden des Landes eingerückt, die sich im kurdisch kontrollierten Gebiet befindet. Dort brachten sie das Gebäude der Provinzregierung sowie den Militärflughafen unter Kontrolle. Regierungskräfte nahmen auch das nahe gelegene Ölfeld Baba Gurgur ein. Kurdische Einheiten leisteten nur wenig Widerstand. Beobachter verwiesen auf Rivalitäten in den Reihen der Kurden, die ein koordiniertes Vorgehen bislang behindere.

Die kurdischen Peschmerga befinden sich nach dem Vorstoß des irakischen Militärs weiter auf dem Rückzug. Eine mit den Regierungstruppen verbündete Miliz habe an diesem Dienstag die Kontrolle über die im Nordwesten des Iraks gelegene Stadt Sindschar übernommen, berichteten Einwohner. Am Abend zuvor hätten sich die dort stationierten Peschmerga-Kämpfer zurückgezogen.

Sindschar kampflos erobert

Damit ist eine der wichtigsten Straßenverbindungen vom Kurdengebiet im Nordirak nach Syrien wieder unter der Kontrolle der irakischen Zentralregierung. Über diese Route hatten kurdische Kämpfer einen Großteil ihrer Truppen in den Kampf gegen die verbleibenden IS-Hochburgen in Syrien geschickt. Sicherheitskreisen zufolge übernahmen die irakischen Truppen auch die Kontrolle über zwei weitere Ölfelder in der Region.

Der schnelle Vormarsch irakischer Truppen schürt die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg in der Region, der weitere Fluchtbewegungen in größerem Umfang auslösen könnte. Auf den Ausfallstraßen im Norden und Osten Kirkuks kam es bereits kurz nach Beginn der irakischen Offensive zu langen Staus. Tausende Bewohner der Stadt versuchen Beobachtern zufolge, den Kampfhandlungen zu entgehen und sichere Gebiete rund um Erbil zu erreichen.

Die Europäische Union rief die Konfliktparteien zum Dialog und zu einem Ende der Gewalt auf. Dies teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach einem Telefonat mit dem irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi mit. Mogherini kündigte zudem eine neue zivile Sicherheitsmission im Irak an. Diese solle die dortigen Behörden bei "zivilen Aspekten der irakischen nationalen Sicherheitsstrategie" unterstützen.

Deutschland unterbricht Peschmerga-Hilfe

Die Bundeswehr hatte die Ausbildung der kurdischen Peschmerga aus Sicherheitsgründen bereits vor dem Wochenende vorläufig ausgesetzt, wie ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte. Zu diesem Zeitpunkt habe die Bundeswehr von den ersten irakischen Truppenbewegungen erfahren. Die Maßnahme diene dem Schutz der deutschen Soldaten, hieß es.

Die Sicherheits- und Bedrohungslage für die deutschen Soldaten habe sich zwar nicht verändert, hieß es aus dem Berliner Verteidigungsministerium. Die Sicherheit der Soldaten habe aber erhöhte Priorität. Man habe keine eigenen Kenntnisse über das Geschehen, heißt es, aber Medienberichte über die Lage zur Kenntnis genommen. In Kirkuk selbst seien keine deutschen Soldaten stationiert. In Abstimmung mit den Verbündeten der Koalition gegen den IS wolle man nun die Lage sondieren.

Mit der von Ministerpräsident al-Abadi angeordneten Militäraktion reagiert Iraks Zentralregierung auf das umstrittene Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Norden des Landes. Diese hatten sich im September in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit für die Abspaltung vom Irak ausgesprochen. Aus der Sicht Bagdads geht es dabei auch um die Kontrolle rohstoffreicher Regionen im Norden des Landes. Rund um Kirkuk gibt es ergiebige Ölvorkommen.

Panzerfaust gegen Abrams?

Der neue Konflikt bringt die USA, Deutschland und andere westliche Staaten in eine besonders schwierige Situation, da sie beide Konfliktparteien im Nordirak im Kampf gegen die Terrormiliz IS mit militärischer Ausrüstung unterstützen. Deutschland etwa lieferte den Kurden die Panzerabwehrrakete "Milan", Panzerfäuste, Sturmgewehre und Munition.

Bei Gefechten zwischen irakischen Sicherheitskräften und Einheiten der Kurden könnte es damit auch dazu kommen, dass deutsche Waffentechnik auf Seiten der Kurden gegen Kriegsmaterial aus US-Beständen auf Seiten der Iraker eingesetzt wird. Die USA haben die irakische Armee im Zuge ihrer militärischen Unterstützungs- und Aufbauarbeit auch mit umfangreichen Kontingenten an Humvee-Fahrzeugen und Kampfpanzern vom Typ "Abrams" ausgestattet. Militärische Hilfe erhält Bagdad auch aus dem Iran.

Die Bundeswehr bildet seit 2014 kurdische Peschmerga-Kämpfer für den Kampf gegen den IS aus. Die Bundesregierung hatte Ende September angekündigt zu prüfen, ob die derzeit knapp 140 deutschen Soldaten im Nordirak trotz des Unabhängigkeitsreferendums auch im nächsten Jahr dort bleiben können.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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